Auf den ersten Blick könnte es sich bei dem Bildnis Mädchen im Grünen auch um das Werk eines französischen Impressionisten handeln. Mit zarten, fedrigen Pinselstrichen wurde hier das Halbporträt einer jungen Frau verewigt, deren Aura das sattgrüne Blätterwerk im Hintergrund kontrastiert. Es ist ein Frühwerk von Gustav Klimt, das Experten in die zweite Hälfte der 1890er-Jahre datieren.

Ende der 1890er schuf Klimt das Bild "Mädchen im Grünen".
Foto: Sotheby's

Bis Mitte Jänner gastierte es in der Neuen Galerie (New York) in der von Tobias Natter kuratierten Schau Klimt and the Women of Vienna's Golden Age. Nun soll es am 1. März im Rahmen des Evening Sales Impressionist & Modern Art bei Sotheby's in London versteigert werden. Der Schätzwert beläuft sich auf umgerechnet 1,4 bis 2,1 Millionen Euro.

Wer die Dargestellte war, tat für die Forscher bislang nichts zur Sache, schon weil es sich nicht um ein Auftragswerk handelte. Eine Vermutung, um wen es sich handeln könnte, äußerte Marian Bisanz-Prakken 2014 in einem Standard-Gespräch. Konkret waren der Expertin für das zeichnerische OEuvre Klimts frappante Ähnlichkeiten mit einer Studie im Bestand der Klimt-Foundation aufgefallen.

Mutter Maria Ucicka

Letztere war im Herbst 2013 von Ursula Ucicky, Witwe des NS-Propagandaregisseurs und unehelichen Klimt-Sohn Gustav Ucicky, gegründet worden. Laut Foundation zeigt die Studie seine Mutter Maria Ucicka, die "in der zweiten Hälfte des Jahres 1898" eine Affäre mit Klimt begonnen hatte. Neun Monate später, nur wenige Tage vor Marias 19. Geburtstag, erblickte klein Gustav am 6. Juli 1899 das Licht der Welt.

Maria Ucicka: mit ihr begann Gustav Klimt in der zweiten Jahreshälfte 1898 eine Affäre, aus der ein unehelicher Sohn hervorging (Gustav Ucicky). Klimt schuf von ihr nachweislich eine detaillierte Zeichnung. Marian Bisanz-Prakken, Expertin für Klimt-Zeichnungen, vermutet, dass es sich bei "Mädchen im Grünen" auch um ein Porträt Ucickas handeln könnte.
Fotos: Klimt-Foundation, Sotheby’s

Für Bisanz-Prakken sei diese Zeichnung "nicht im Hinblick auf ein Gemälde entstanden". Dazu wäre sie "viel zu detailliert ausgeführt, bis hin zu den Schattierungen". Dazu repräsentiere sie eine sehr private, ja intime Momentaufnahme. Im Vergleich, auch zu zeitgenössische Fotoaufnahmen Ucickas, wirken die Gesichtszüge der im Gemälde gezeigten deutlich zarter. Ein Unterschied, den Bisanz-Prakken mit einer Idealisierung erklärt. Von ihrer Vermutung zur Identität der Dargestellten erzählte sie auch Tobias Natter, der diese Zuordnung für erwähnte Ausstellung übernahm. Allerdings unterlief ihm ein veritabler Schnitzer, denn er verwechselte Maria Ucicka mit Maria "Mizzi" Zimmermann, die ebenfalls eine Affäre und zwei uneheliche Söhne mit Klimt hatte.

Laut Natters Katalogtext sei Ucicka auf mehreren Werken Klimts verewigt worden, etwa auch Schubert am Klavier, ein Entwurf für die Supraporten im Musikzimmer des Palais Dumba. Das ist falsch, vielmehr ist in diesem Bild, wie Klimt-Dokumentar Hansjörg Krug (Gustav Klimt – selbstredend) ausgerechnet im Werkverzeichnis Natters (S. 456 ff., Vlg. Taschen, 2012) publizierte, "Mizzi" Zimmermann zu sehen. Ein Fehler, der Natter zu unerwünschtem Ruhm verhelfen dürfte. Denn Sotheby's übernahm diesen unwissentlich für den Katalogtext, der nur noch online korrigiert werden konnte. Das übliche Prozedere sieht nun eine Korrektur vor, die sowohl in der Schaustellung veröffentlicht als auch bei der Auktion selbst verlesen werden muss.

Neue Provenienzfrage

Laut Provenienzangaben war das Gemälde einst in der Sammlung von Georg und Hermine Lasus beheimatet. Ob deren Urenkelin über Informationen zur Dargestellten verfügt? Nein, versichert Bibiana Preisinger, innerhalb der Familie sei hierzu nichts überliefert worden. Auf eine Standard-Anfrage stellt sich weiters heraus, dass sie – entgegen den Angaben im Sotheby's-Katalog – dieses Bild auch niemals verkauft habe: weder an Serge Sabarsky noch an jemand anderen. Vielmehr sei es nach dem Tod ihres Vaters im Herbst 1971 während eines dreijährigen Großumbaus des Hauses der Familie verschwunden.

Ihr Anwalt Alfred Noll betont, dass "niemand, der damals befugt gewesen wäre, dieses Werk jemandem verkauft oder übergeben hat". Namens seiner Mandantin informierte er zwischenzeitlich auch das Auktionshaus, und man ist da wie dort nun um eine Aufklärung bemüht. Ob das Gemälde überhaupt rechtmäßig die Grenzen Österreichs passierte, ist derzeit ebenfalls noch Gegenstand von Recherchen. Bis 1977 liegt für dieses Klimt-Bild jedenfalls kein Ausfuhransuchen im Bundesdenkmalamt vor, die Nachfolgejahre werden derzeit überprüft. 1986 hatte das Mädchen im Grünen jedenfalls seinen ersten öffentlichen Auftritt in einem Museum in Tokio. (Olga Kronsteiner, Album, 17.2.2017)