Die Rücktrittsrede von Eva Glawischnig.

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Unvermeidlich und logisch: Das ist der Rücktritt von Eva Glawischnig als Bundessprecherin der Grünen. Die Popularitätswerte der 48-Jährigen sind in den Keller gerasselt, kein anderer Parteichef ist laut APA-Vertrauensindex unbeliebter. Im Hype um den vermeintlichen Dreikampf um die Kanzlerschaft sind die Grünen abgemeldet, sie kommen mit eigenen Themen nicht durch. Alles, was in dieser Situation neu ist und für Aufmerksamkeit sorgt, ist besser als der Status quo.

Glawischnig ist da sicher auch ein Stück weit Opfer der gnadenlosen Dynamik der politischen Debatte, in der nur der jeweils letzte Schrei für Furore sorgt. Wenn die Medien verbreiten, dass die Grünen im Wahlkampf untergehen werden, dann ist das auch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wer sichtbar ist oder nicht, entscheiden ja nicht zuletzt die Berichterstatter selbst.

Aber die Grünen unter Glawischnig haben selbst auch genügend dazu beigetragen, abgeschrieben zu werden. Jene Kampagnenfähigkeit, die sie als Teil der Bewegung hinter Alexander Van der Bellen bewiesen haben, lassen sie im Wettstreit der Parteien vermissen. Da gibt es die altbekannten Positionen, untermauert von redlichen Konzepten, getragen von engagierten Abgeordneten, doch das zündende Moment fehlt.

Die Frage der sozialen Gerechtigkeit etwa trauen sich die Grünen nicht offensiv zu stellen, obwohl die SPÖ da momentan Raum öffnet, mitunter haben sie die Politik fast gänzlich eingestellt. In der Asyldebatte hat die Oppositionspartei nie das Dilemma geklärt, wie hohe moralische Ansprüche mit notwendiger Eindämmung des Flüchtlingsandrangs zu vereinbaren sind. Resultat: Die Grünen halten sich weitgehend raus.

Dazu kamen handwerkliche Fehler. Im Streit mit der widerspenstigen Parteijugend hatte Glawischnig mit ihrer Linie, dass grüne Listen nicht gegeneinander antreten dürften, zwar grundsätzlich recht. Doch wenn ein Konflikt um eine drittrangige Wahl wie jene um die Hochschülerschaft derart eskaliert, dass dieser in den wichtigsten Nachrichtenkanälen fatale Schlagzeilen macht, hat das Krisenmanagement versagt.

Dabei war Glawischnig in ihren knapp neun Jahren an der Parteispitze nicht so erfolglos, wie die triste Endphase nahelegt. Sicher, der Zugewinn bei ihrer einzigen Nationalratswahl fiel mit zwei Prozentpunkten moderat aus – doch welche Grünpartei genau hat irgendwo auf der Welt mehr als die 12,4 Prozent der Österreicher? Am Sprung in viele Landesregierungen kann die Performance der Bundespartei ebenfalls nicht ganz schuldlos gewesen sein. Geht eine Landeswahl schief, wird sie ja auch dafür verantwortlich gemacht.

Natürlich gibt es eine viel stärkere Oppositionspartei. Doch das Potenzial der hyperpopulistischen FPÖ kann für die Grünen, die den Bürgern aus dem Selbstverständnis der Ökobewegung heraus auch Unangenehmes zumuten, kaum die Richtschnur sein.

Wie stark sich die Nachrede im Rückblick relativieren kann, zeigt die Geschichte des Vorgängers. Alexander Van der Bellen avancierte im Vorjahr zum vielumjubelten Staatsoberhaupt, doch zum Zeitpunkt der Ablöse durch Glawischnig im Oktober 2008 galt er als verbrauchter Chef einer fad gewordenen Partei. DER STANDARD schätzte VdBs Abgang wie folgt ein: als unvermeidlich und logisch. (Gerald John, 18.5.2017)