Die Wiener Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger spricht sich im STANDARD-Interview gegen Wohnbaustadtrat Michael Ludwig als Nachfolger von Bürgermeister Michael Häupl aus. "Dass er derzeit kein einender Kandidat ist, hat der Parteitag gezeigt", sagte Frauenberger. Sie sprach damit auch die Wahl Ludwigs an, der Ende April nur 68 Prozent Zustimmung unter den SPÖ-Delegierten erreicht hat.

Frauenberger räumt ein, dass die Wiener SPÖ "seit einem Jahr" mit parteiinternen Querelen leben müsse. Jetzt müsse die Partei zu einer gemeinsamen Vorgangsweise finden. "Dass die Partei zerbröselt, will ja wohl niemand." Frauenberger wird dem linken Parteiflügel in der Wiener SPÖ zugerechnet, Ludwig gilt als Vertreter des rechten Parteilagers.

Frauenberger: Für die Häupl-Nachfolge "gibt es viele tolle Leute in der Stadt – auch viele tolle Frauen".
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Bei der Mindestsicherung sagt Frauenberger, dass es mehr als die im Budget für 2017 eingepreisten 700 Millionen Euro brauche. "Ich hoffe, dass es nicht zu viel mehr sein wird." Sie stehe für Arbeitsmarktintegration und nicht für deckeln und kürzen.

Im Krankenhaus Nord sollen im Frühling 2019 die ersten Patienten behandelt werden. Bei der Neustrukturierung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) schließt Frauenberger aus, dass der Eigenbetrieb weiterhin "wie eine Magistratsabteilung funktioniert. Das ist kein zukunftstaugliches Modell".

STANDARD: Am Parteitag der Wiener SPÖ Ende April hagelte es desaströse Wahlergebnisse, Sie kamen mit 84 Prozent Zustimmung vergleichsweise gut weg. Wie tief ist der innerparteiliche Graben?

Frauenberger: Wir haben im Vorfeld sehr heftige Diskussionen gehabt. Ich glaube aber an eine Geschlossenheit im Ziel, einen guten Nationalratswahlkampf hinzukriegen.

STANDARD: Wieso ist das beim Parteitag dann so explodiert?

Frauenberger: Wir leben seit einem Jahr mit dem Konflikt. Ich war nicht großartig über das Ergebnis überrascht. So, wie Interessen in der Partei teilweise auseinandergelegen sind, ist es nicht unerwartet gekommen. Jetzt hat jeder die Verantwortung, dass es eine gemeinsame Vorgangsweise gibt. Dass die Partei zerbröselt, will ja wohl niemand.

STANDARD: Bürgermeister Michael Häupl will drei Monate nach der Nationalratswahl sein Amt übergeben. Wer soll nachfolgen?

Frauenberger: Das müssen wir gemeinsam überlegen. Schön wäre ein gemeinsamer Kandidat. Ich werde meinen Beitrag leisten, dass der Spalt kleiner wird.

STANDARD: Wohnbaustadtrat Michael Ludwig will Häupl-Nachfolger werden. Er gilt als Vertreter des rechten Parteiflügels, Sie werden dem linken Lager zugerechnet. Glauben Sie, dass es zwischen Vertretern beider Parteilager zu einer Kampfabstimmung kommt?

Frauenberger: Das kann man noch nicht sagen. Wenn wir uns alle bemühen, dann wird keine Kampfabstimmung notwendig sein.

STANDARD: Könnte Ludwig ein gemeinsamer Kandidat sein?

Frauenberger: Dass er derzeit kein einender Kandidat ist, hat der Parteitag gezeigt. Ludwig hat sich im Vorfeld exponiert und gesagt, dass er sich vorstellen kann, Bürgermeister zu werden. Das ist okay. Er ist ein Kandidat, aber es gibt viele Kandidaten. Wenn wir uns überlegen, wer in Wien in Zukunft an Position eins stehen soll, gibt es viele tolle Leute in der Stadt. Auch viele tolle Frauen.

STANDARD: Haben Sie Interesse?

Frauenberger: Ich bin mit meiner Position sehr zufrieden.

STANDARD: Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien steigt stetig. Werden die für 2017 budgetierten 700 Millionen Euro reichen?

Frauenberger: Eine verlässliche Zahl kann ich noch nicht nennen. Ich werde sie von der neu eingerichteten Taskforce zur Mindestsicherung bekommen. Es wird mehr als 700 Millionen Euro brauchen. Ich hoffe, dass es nicht zu viel mehr sein wird.

STANDARD: Im Vorjahr musste um 130 Millionen aufgestockt werden.

Frauenberger: So viel wird es heuer sicher nicht. Aber es wird mehr sein als prognostiziert.

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STANDARD: Im April 2017 haben 10.000 Asylberechtigte mehr als vor einem Jahr Sozialhilfe bezogen. Was macht Wien, um diese Entwicklung aufzuhalten?

Frauenberger: Man kann exklusiv arbeiten, also Leute vom Bezug ausschließen, oder inklusiv: Niemand wird ausgeschlossen, aber man versucht, Menschen durch Arbeitsmarktintegration aus der Mindestsicherung zu bekommen. Das eine ist deckeln und kürzen. Das andere ist investieren in die Zukunft der Leute. Dazu stehe ich. Menschen, die direkt aus der Grundversorgung in die Mindestsicherung kommen, finden am Arbeitsmarkt keinen Platz, weil Integrationsmaßnahmen notwendig sind. Ich habe viel Hoffnung in das Integrationsjahr.

STANDARD: Im Mai wird es in Wien voraussichtlich erstmals mehr ausländische Mindestsicherungsbezieher als solche mit österreichischer Staatsbürgerschaft geben. Wieso funktioniert die Integration nicht?

Frauenberger: In erster Linie sind jene von Arbeitslosigkeit betroffen, die geringe Qualifikationen haben. Und dort im Besonderen Migranten, vor allem Frauen. 70 Prozent der Frauen in der Mindestsicherung sind Ergänzungsbezieherinnen. Sie haben ein Einkommen, mit dem sie kein Auskommen finden. Deshalb ist die Forderung nach 1500 Euro Mindestlohn genauso wichtig wie das Setzen von arbeitsmarktintegrativen Maßnahmen.

STANDARD: SPÖ und Grüne verhandeln seit Monaten über eine Mindestsicherungsreform. Warum gibt es noch immer kein Ergebnis?

Frauenberger: Die Dauer erklärt sich nicht durch einen rot-grünen Konflikt. Es ist schon viel passiert. Wir bauen die Arbeitsmarktprojekte aus. Das Wohngeld wird in einem eigenen Projekt behandelt. Wir werden nicht kürzen und nicht deckeln, aber den Geldbezug an integrative Maßnahmen koppeln.

STANDARD: Wann werden Sie die Details präsentieren?

Frauenberger: Das Ziel ist, vor dem Sommer fertig zu sein. Aber ich will mich nicht festnageln lassen.

STANDARD: Wann wird die Zukunft des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) geklärt?

Frauenberger: Ich hätte gerne eine Richtungsentscheidung vor dem Sommer. Wir brauchen strukturelle Änderungen. Wir befinden uns in einem absoluten Entscheidungslabyrinth im KAV. Es braucht derzeit sieben Stufen, um eine Personalentscheidung zu treffen. Das ist nur ein Beispiel. Das Labyrinth besteht aus Irrwegen zwischen KAV, Politik und Verwaltung. Das gehört aufgelöst.

STANDARD: Der Rechnungshof hat sich für eine Ausgliederung des KAV aus dem Magistrat ausgesprochen. Wird das umgesetzt?

Frauenberger: Wir wollen eine Rechtsform finden, die eine Neuorganisation möglich macht, aber keine Ausgliederung bedeutet. Die Personal- und Finanzhoheit soll jedenfalls beim KAV landen.

STANDARD: Das kann auch Ausgliederung aus dem Magistrat heißen.

Frauenberger: Wir sind das letzte Bundesland, das keine Strukturlösung für die Gesundheitseinrichtungen getroffen hat. Der Vorteil ist, dass wir uns die Erfahrungen mit verschiedenen Modellen der Bundesländer anschauen und zu einem Wiener Modell transferieren können. Ausgeschlossen ist, dass der Eigenbetrieb wie eine Magistratsabteilung funktioniert. Das ist kein zukunftstaugliches Modell. Aber auch eine Aktiengesellschaft ist ausgeschlossen.

STANDARD: Ist das Ziel eine Neuorganisation ohne Magistrat?

Frauenberger: Nicht ganz. Die gesamte Lohnverrechnung etwa passiert derzeit in der Stadt Wien. Wieso soll sie nicht weiter im Magistrat angesiedelt sein?

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STANDARD: Gegen die geplante Verlegung der Augenabteilung des Donauspitals in die Rudolfstiftung protestieren Ärzte, Patienten und Mitarbeiter. Wird es die Verlegung dennoch geben?

Frauenberger: Es gibt das Spitalskonzept 2030. In diesem sind Schwerpunktzentren festgelegt. Wo ich Ihnen zustimme: Es gibt heftige Debatten um die eine oder andere Verlegung. Das ist eine Herausforderung, die es in jedem Change-Prozess gibt. Je besser du kommunizierst, desto besser funktionieren solche Pläne. Dass es viele Ängste gibt, ist mir klar. Ich bin jetzt seit vier Monaten dran, dass mehr Vertrauen entsteht. Wir müssen auf die Gruppe, die keine Veränderungen will, zugehen und uns damit auseinandersetzen.

STANDARD: Bleiben Sie also beim Spitalskonzept?

Frauenberger: Ich halte am Spitalskonzept und an den Zentrenbildungen fest. Die Idee dazu ist schon vor zehn Jahren entwickelt worden. Für die Umsetzung haben wir noch 13 Jahre. Natürlich ändern sich im medizinischen Bereich die Dinge schnell. Deswegen sage ich jetzt nicht, dass in einem bestimmten Bereich eine Schwerpunktsetzung in fünf Jahren auch tatsächlich so passieren wird, wie man es 2008 geplant hat.

STANDARD: Das Krankenhaus Nord soll heuer fertiggestellt und 2018 in Betrieb genommen werden. Wann wird der erste Patient behandelt?

Frauenberger: 2018 in Betrieb nehmen bedeutet noch nicht, dass Patienten behandelt werden können. Frühling 2019 ist mein Ziel.

STANDARD: Die Kosten für den Bau sind explodiert, von 850 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro. Bleibt es bei dieser Summe?

Frauenberger: Wir müssen den Rechnungshofbericht abwarten. Davor traue ich mir dazu nichts zu sagen. Wir wollen, dass es beim Budget bleibt, werden auf Basis des Berichts aber Handlungen setzen müssen. Ich weiß noch nichts von einer Kostensteigerung. (Interview: Oona Kroisleitner , David Krutzler, 22.5.2017)