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Wien – Klinische Studien, Ärztefortbildung, Spenden, Förderungen: Im Vorjahr haben Ärzte und medizinische Institutionen rund 90 Millionen Euro von der Pharmaindustrie erhalten. Diese Zahl hat der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) am Mittwochvormittag gemeinsam mit der Ärtzekammer bei einem Pressegespräch in Wien präsentiert. Die Offenlegung der Geldflüsse erfolgte dieses Jahr zum zweiten Mal, um potenzielle Interessenkonflikte transparent zu machen. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass Zahlungen der Pharmaindustrie die Entscheidungen von Ärzten unbewusst beeinflussen können. Etwa dass teurere Präparate verschrieben werden, obwohl günstigere Generika verfügbar wären. Zudem können Gelder an Forscher zur Verzerrung der Studienergebnisse führen – zum Vorteil der Pharmaunternehmen.

Die offengelegte Gesamtsumme für 2015 lag bei 105 Millionen Euro. Der Rückgang auf 90 Millionen Euro geht auf geringere Ausgaben im Bereich der Forschung und Entwicklung zurück. Hier sind Zahlungen oft an das Erreichen von Meilensteinen gekoppelt und schwanken deshalb.

Zwei Drittel für Forschung und Veranstaltungen

"Wir haben nichts zu verbergen. Die Zahlungen haben nichts mit Bestechung, Beeinflussung oder Korruption zu tun. Ohne die Zusammenarbeit würde es keine Weiterentwicklung und Forschung für Medikamente geben", sagt Herwig Lindner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer.

Konkret ist ein Drittel der Summe für Forschungstätigkeiten und die Durchführung klinischer Studien geflossen. Ein weiteres Drittel entfiel gemäß Erhebung der Pharmig auf Veranstaltungen. Die Geldflüsse können der Unterstützung für die Durchführung von Veranstaltungen dienen, aber auch Tagungs- und Teilnahmegebühren und Reise- und Übernachtungskosten für medizinische Fachkräfte fallen in diese Kategorie. Der Rest entfiel auf Dienst- und Beratungsleistungen, etwa Vortragstätigkeiten, und auf Spenden und Förderungen für medizinische Institutionen, etwa zur Finanzierung von Aus- und Weiterbildung (zum Beispiel: Fachliteratur für die Krankenhausbibliothek).

Transparenz mit Hindernissen

Direkt auf einzelne Ärzte zurückzuverfolgen ist nur ein geringer Anteil der Zahlungen.

Das Datenschutzrecht erfordert eine persönliche Einwilligung zur Offenlegung. 18,9 Prozent der Zahlungen an die Ärzteschaft sind so nachverfolgbar. Damit stagniert das Niveau im Vergleich zum Jahr 2015. Die geringe Zustimmungsrate führt Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber auf die fehlende Kultur für Transparenz zurück: "In Skandinavien ist das eher vorhanden." Zudem führe die kritische Berichterstattung über die Offenlegungen dazu, dass "es sich mehr Ärzte überlegen, ob sie sich das antun wollen". Bei Krankenhäusern und anderen medizinischen Institutionen hat sich der Anteil nachvollziehbarer Geldflüsse hingegen erhöht. 62,4 Prozent der Zahlungen sind transparent – ein Anstieg um 5,7 Prozentpunkte zum Jahr 2015. Vollständige Transparenz der Zahlungen von Pharmaindustrie an Ärzteschaft ist in den USA gegeben. Dort regelt der "Sunshine Act" die Offenlegung. Pharmig-Generalsekretär Huber will vorerst weiterhin auf Selbstregulierung vertrauen: "Dann steht auch die Überzeugung und Motivation der Ärzte dahinter."

Kein zentrales Veröffentlichungsregister

Einen gesammelten Überblick der Veröffentlichungen der 74 Unternehmen, die ihrer Offenlegungspflicht gemäß des Pharmig-Verhaltenskodex nachgekommen sind, gibt es nicht. Wer als Patient einen Einblick erhalten möchte, müsste jede Unternehmenswebsite besuchen und nach der gewünschten Person oder Organisation suchen. Diese Lücke hat der STANDARD im Vorjahr in einem Projekt mit dem ORF und der deutschen Rechercheplattform Correctiv geschlossen und eine Datenbank aufgesetzt. Sie wird in der kommenden Woche in aktualisierter Form veröffentlicht. Anders als im Vorjahr sollen Personen, die keine Zahlungen erhalten haben oder persönlich ablehnen, die Möglichkeit haben, dies auch für Patienten transparent zu machen. Bis dato war nicht klar, ob jemand, der nicht in der Datenbank aufscheint, der Veröffentlichung der Zahlung nicht zugestimmt hat oder keine erhalten hat. Interessierte Mediziner können deshalb beim neuen Projekt "Null-Euro-Ärzte" selbst erklären, dass sie im zurückliegenden Jahr keine Gelder von der Pharmaindustrie erhalten haben. (gart, 5.7.2017)