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Die Zahl der heimischen Zuckerrübenbauern hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert.

Foto: Dpa/Martin Gerten

Wien – Ob in der Schokolade oder im Ketchup: Zucker ist fast überall enthalten. Durchschnittlich verspeist ein Österreicher in etwa 33 Kilogramm Zucker pro Kopf und Jahr. Für Süßmäuler könnten Produkte bald billiger werden – zum Verdruss der Zuckerrübenbauern: Mit 30. September fällt die EU-Zuckerquote, die bisher Preis und Menge reguliert hat. Bisher durften innerhalb der EU-Staaten insgesamt nicht mehr als 13,5 Millionen Tonnen Zucker produziert werden.

"Der Markt wird freigegeben, es gibt keine Mindestpreise mehr, jeder kann so viel produzieren, wie er will", sagt Ernst Karpfinger, Präsident der Österreichischen Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft (ÖZVG). "Ab Oktober verfallen die Preise." Lag der Zuckerpreis am Weltmarkt in den vergangenen Jahren zwischen 750 und 700 Euro pro Tonne, so ist er nun bereits unter 350 Euro gesunken.

Seit langem bekannt

Der Wegfall der Quote ist seit langem bekannt. Zahlreiche Bauern in Europa haben sich vorzeitig darauf eingestellt und ihre Flächen bereits heuer ausgebaut. Insgesamt hat sich die Zuckerrübenanbaufläche in der EU im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent vergrößert. Besonders stark waren die Anstiege in Großbritannien und in den Niederlanden. "Das war ein schwerer Fehler", sagt Karpfinger. Dadurch würde ein höherer Preisdruck entstehen, anstatt den Markt nach dem Wegfall der Quote zu entlasten. Die Internationale Zuckerorganisation geht davon aus, dass der Zuckerüberschuss heuer 1,6 Millionen Tonnen über dem Durchschnitt liegen wird.

Anders sieht die Lage in Österreich aus: Nicht nur die Anbaufläche ist im Vergleich zum Vorjahr um 800 Hektar geschrumpft, auch der Ertrag ist von 81 Tonnen pro Hektar auf 63 Tonnen pro Hektar zurückgegangen. Grund dafür war laut ÖZVG-Präsident die Trockenheit und damit einhergehende Dürre.

Derzeit gibt es in Österreich knapp über 6000 Rübenbaubetriebe, die ihre Ware größtenteils an den Lebensmittelkonzern Agrana liefern.

6,5 bis sieben Kilo Rüben pro Kilo Zucker

Um einen Kilogramm Zucker zu produzieren, werden 6,5 bis sieben Kilogramm Zuckerrüben benötigt. Landwirte erhalten rund die Hälfte des Zuckerpreiserlöses für ihre Rüben, sagt Karpfinger, der auch im Aufsichtsrat der Agrana sitzt. Laut Agrana-Sprecher Markus Simak soll der bisherige Mindestpreis von 26,29 je Tonne fallen und Rübenbauern eine rein von Zuckerpreis abhängige Abrechnung erhalten.

Besonders rentabel dürfte das Geschäft für die Bauern dennoch nicht sein. Vor zwanzig Jahren gab es in Österreich fast doppelt so viel Rübenbauern: "Jedes Jahr verlieren wir 300 Landwirte, in den letzten Jahren sogar mehr", sagt Karpfinger. Der Grund? "Es rechnet sich nicht mehr." Der Markt wäre früher gut aufgeteilt gewesen, jetzt sei "jeder gegen jeden".

Während die Zahl der Betriebe stark abnimmt, ist die Anbaufläche in Österreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu gleich geblieben. Die ÖZVG rät ihren Mitgliedern, die eigenen Anbaufläche auch jetzt nicht auszuweiten, und hofft, dass Kollegen in anderen EU-Ländern mitziehen: "Sonst könnten die nächsten zwei Jahre blutig werden."

Dass dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist wohl unwahrscheinlich: Während es in Österreich keine zusätzlichen EU-Förderungen für Zuckerrübenbauern gibt, erhalten Landwirte in anderen – vorwiegend osteuropäischen – Ländern Zuschüsse für ihre Anbauflächen. Diese werden einmal jährlich vergeben und beziehen sich auf die Anbaufläche, nicht aber auf die Erntemenge, heißt es bei der ÖZVG. In Rumänien erhält ein Bauer beispielsweise 600 Euro pro Hektar Anbaufläche: "Bei 40 Tonnen ist das fast der halbe Rübenpreis", sagt Karpfinger.

Die Agrana selbst sei auf die Marktliberalisierung gut vorbereitet, sagt Simak. Durch die Öffnung des Marktes würden sich neue Exportchancen ergeben. Besonders in Osteuropa, wo es ein Zuckerdefizit gibt, wolle man Marktanteile ausbauen. (Nora Laufer, Alexander Hahn, 30.9.2017)