Kürzlich habe ich an dieser Stelle über "Herding" geschrieben – die Tendenz, dass Umfragewerte (besonders jene der ÖVP) auffällig wenig Streuung aufweisen. Die Evidenz dafür ist recht robust. Seit dem Antritt von Sebastian Kurz als Parteivorsitzendem gab es 44 veröffentlichte Umfragen. In nicht weniger als 21 lag die ÖVP bei 33 Prozent, in jeweils neun bei 32 oder 34 Prozent. Diese Streuung ist, wie hier gezeigt, viel zu gering, wenn man nach den Gesetzen der Statistik geht (das Bild hat sich in den Wochen seither eher noch verschlechtert als verbessert).

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Schaffen die Kleinparteien die Vierprozenthürde? In den Umfragen fallen weder Grüne noch Neos und Pilz darunter. Das ist auffällig.
Foto: AP Photo/John Minchillo

Ein Blick auf die Umfragewerte der kleineren Parteien (Grüne, Neos, Liste Pilz) könnte auf ein ähnliches Problem hinweisen – wiewohl hier die Beweislage nicht so eindeutig ist. Wie die Grafik unten zeigt, sind die Werte dieser drei Parteien in den seit Anfang August publizierten Umfragen etwas eigenartig verteilt. Die meisten Umfragen weisen Werte von vier, fünf oder sechs Prozent aus. Dann gibt es vereinzelt noch sieben Prozent und einmal acht. Nie aber während der letzten zweieinhalb Monate hat ein Institut eine der Parteien unterhalb der Vierprozenthürde verortet.

Das erscheint auf den ersten Blick auffällig. Wollen sich die Meinungsforscher hier dem Vorwurf entziehen, sie wären am Ende Mitschuld, sollte eine der drei Parteien an der Einzugshürde scheitern? (Dass solche Überlegungen das Wahlverhalten beeinflussen können, ist nicht neu. In dieser Studie etwa wird gezeigt, dass dadurch im Jahr 2006 Stimmen vom BZÖ zur ÖVP wanderten.)

Nun soll man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Grünen etwa lagen im August noch bei einem Umfrageschnitt von über sechs Prozent, im September und Oktober liegt der Mittelwert einen Punkt niedriger. Ähnliches gilt für Peter Pilz. Wir sollten also für die oben gezeigte Verteilung durchaus erwarten, dass es mehr Datenpunkte in der rechten Hälfte der Grafik gibt – das ist die logische Konsequenz, wenn zwei der drei Parteien im Beobachtungszeitraum leicht an Zustimmung verlieren.

Großzügig aufrunden

Dennoch: Nach den Gesetzen der Statistik sollte eine Partei, die in der Wählerschaft bei fünf Prozent liegt, in vier bis fünf Prozent der Umfragen unter vier Prozent (gerundet) ausgewiesen werden (unter der Annahme einer durchschnittlichen Stichprobengröße von 700 Befragten und einer Deklarationsquote von 80 Prozent). Liegt die Partei in Wahrheit bei viereinhalb Prozent, müsste sie in etwa elf Prozent der Umfragen unter vier Prozent landen. Wenn der tatsächliche Wert der Partei bei vier Prozent liegt, sollte sie sogar in jeder vierten Umfrage unter der Eingangshürde von vier Prozent ausgewiesen werden.

Wir sollten also nicht davon ausgehen, dass hier massenhaft Ergebnisse nach oben korrigiert wurden. Aber dass das eine oder andere Institut hie und da einmal etwas großzügiger aufgerundet hat, erscheint durchaus plausibel. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 11.10.2017)