ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker hat besondere Pläne für den ORF, der in Zukunft den Privaten zuarbeiten und ihnen beim Geldverdienen nicht in die Quere kommen soll.

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Wien – Rechtzeitig zum Finale der Regierungsverhandlungen bewerben ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker und ORF-General Alexander Wrabetz ihre medienpolitischen Vorstellungen – beide zuversichtlich über deren Umsetzung. Die beiden nicht gerade befreundeten Medienmacher kommen da und dort auf ähnliche Schlüsse, etwa große Allianzen österreichischer Medien gegen Google/Youtube, Facebook, Amazon und Co. Breitenecker freilich arbeitet – wie im Privatsenderverband und bei den Neos schon länger Thema – am ORF als Zulieferstation auch für Privatsender.

Drei Herren bemühen sich derzeit – nicht unbedingt gemeinsam – um eine gemeinsame Plattform österreichischer Medien:

  • Alexander Wrabetz mit seiner Idee einer gemeinsamen Onlinevermarktung österreichischer Medien unter dem Stichwort "Austria Marketplace".
  • Peter Lammerhuber, Boss der auch in Österreich größten Mediaagenturengruppe Group M, denkt seit längerem über eine gemeinsame Vermarktung von Qualitätsmedien in Österreich nach.
  • Markus Breitenecker geht mit seinem Projekt für eine Medienallianz ein Stück weiter und tiefer: Im am Donnerstag erscheinenden "News" tut er seine "Alliance"-Überlegungen in einer sehr ausführlichen Interviewstrecke kund.

Der ProSiebenSat1Puls4-Chef spricht von einer österreichischen und einer europäischen Allianz von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, er nennt dafür in "News" mehrere "Komponenten": einen gemeinsamen und einheitlichen Login-Prozess, eine gemeinsame Vermarktung, zudem gemeinsame Such- und E-Commerce-Funktionen. Auch eine gemeinsame Social-Media-Plattform führt er an.

Datenallianz, Werbeserver, Inhalteaustausch, Mikropayment

Nach STANDARD-Informationen geht es in Breiteneckers Überlegungen auch um Themen wie die gemeinsame Nutzung von Daten, einen Austausch von Bewegtbildinhalten (wie schon insbesondere über die APA mit ORF und Zeitungsplattformen, aber auch in ersten Tests mit Privaten), auch um einen europäischen Austausch von Medieninhalten, um eine gemeinsame Österreich-Vermarktung in anderen Märkten, um ein Mikropaymentsystem für Medieninhalte, Adserver-Technologie, um Medienservices wie das Zusammenfassungsservice Updatemi und um gemeinsame Medienplayer – ProSiebenSat1Puls4 will ja laut Breitenecker auch konzernfremde Sender auf seine TV-App "Zappn" holen.

Breiteneckers ORF-Umbau

Der ProSiebenSat1Puls4-Chef, er hat in der Werbezielgruppe mit der ATV-Übernahme den ORF überholt, möchte dem ORF per Gesetz verbieten lassen, dass er den Privaten in kommerziellen Angeboten Konkurrenz macht. "Wenn ein Privater ein bestimmtes kommerzielles Programm ohne Gebühren anbieten kann, dann darf es der ORF nicht mit Gebühren finanzieren", erklärt Breitenecker seine Wünsche in "News".

Und er erweitert den Gedanken ein paar Absätze weiter auf öffentlich-rechtliche Inhalte: "Wenn ein Public-Value-Inhalt von einem Privaten günstiger und hochwertiger hergestellt werden kann als vom ORF, dann soll es der Private machen", und das gar "mit Unterstützung des ORF". Und: "Wenn es der Private aber nicht herstellen kann oder will, soll es der ORF herstellen." Die redaktionelle Oberhoheit (so die "News"-Frage) über diese Inhalte könnte nach Ansicht Breiteneckers "eine Behörde wie die Komm Austria oder der ORF selbst" haben.

ORF-Inhalte für Private

Der Auftrag des ORF – für den er ja Gebühren bekommt – sollte nach Breiteneckers Vorstellungen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zudem verpflichten, "mit Rundfunkgebühren finanzierte Qualitätsinhalte lokalen Playern, die hier Wertschöpfung schaffen, anzubieten. ORF-Inhalte könnten also auch über private Medien distribuiert werden". Die Idee des ORF als Programmzulieferer für Private verfolgen die Neos schon eine Weile, ebenso die Ausschreibung von öffentlich-rechtlichen Inhalten unter ORF und Privaten, die Breitenecker ebenfalls vorschlägt. Auch im "Weißbuch" des Privatsenderverbands (PDF-Downloadlink) vom Frühsommer findet sich etwa der gleichberechtigte Zugang Privater zu ORF-Programmen.

Im ÖVP-Wahlprogramm findet sich eine Passage dazu: "Der öffentlich-rechtliche Auftrag muss daher dahingehend weiterentwickelt werden, möglichst viele Menschen mit möglichst hochwertiger Information zu versorgen. Das ist ein entscheidender Unterschied. Denn damit wird das Erzielen von Marktanteilen von öffentlich-rechtlichen Produkten Teil ihres Auftrages." Diese Marktanteile bezogen sich nicht nur auf ORF-Programme, hieß es damals aus der ÖVP.

"Ideen von Blümel"

ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel sprach im September von der "Möglichkeit, dass man die Reichweite des Öffentlich-Rechtlichen nutzt, um für die Privaten einen Vorteil in diesem Bereich zu erzielen". Damals im Zusammenhang mit Onlinevermarktung und der Idee, Online-Werbeerlöse des ORF Privaten zukommen zu lassen. Breitenecker spricht in "News" nun davon, "Vermarktungsallianzen zu gründen und dem gesamten Markt ORF-Werbeerlöse zur Verfügung zu stellen, nicht nur dem ORF". Breitenecker: "Teilweise kommen die Ideen auch von Gernot Blümel, der formuliert die auch so."

Der ProSiebenSat1Puls4-Chef verneint im Interview wieder einmal Ambitionen auf den Job des ORF-Generals. – Einen ORF nach Breiteneckers Vorstellungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu führen klingt auch nicht unbedingt nach einem Job, den Breitenecker spannend finden könnte.

ORF-General Wrabetz zeigte sich am Mittwoch im Publikumsrat zuversichtlich, dass die – merklich anders gelagerten – ORF-Vorstellungen über dessen Zukunft bei den türkis-blauen Regierungsverhandlungen gehört werden. (fid, 7.12.2017)