Sorge bereitet Sobotka der in Umfragen immer wieder geäußerte Wunsch nach einem starken Mann.

Foto: APA / Georg Hochmut

Wien – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) spricht sich für volle Aufklärung in der Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz aus und weist Kritik an der Zurückweisung des SPÖ-Antrages für einen U-Ausschuss zurück. "Aufklärung ist alleine schon deshalb wichtig, weil das Vertrauen in die heimische Polizei keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden darf", sagte Sobotka.

Der Nationalratspräsident hatte beim Legislativdienst des Parlaments jenes Gutachten in Auftrag gegeben, das zum Schluss kam, dass der SPÖ-Antrag zur Einsetzung eines U-Ausschusses in Sachen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu allgemein formuliert und damit nicht verfassungskonform sei. ÖVP und FPÖ wiesen den SPÖ-Antrag deshalb zurück, die SPÖ warf Sobotka Amtsmissbrauch vor.

Vertrauen nicht gefährden

"Ich denke, dass jeder im Parlament in dieser Sache Gewissheit haben möchte. Als Nationalratspräsident ist das natürlich auch mein Anliegen. Gerade das Parlament ist der Ort der Aufklärung", meinte Sobotka. "Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Prozess rechtlich auf sicheren Beinen steht und dementsprechend auch das Vertrauen in ein Ergebnis vorhanden ist."

Der frühere Innenminister hatte vor zwei Wochen erklärt, den Vorsitz im U-Ausschuss nicht übernehmen zu wollen, weil die Untersuchungen auch seine Amtszeit im Innenministerium betreffen werden. Sobotka dürfte im Laufe des U-Ausschusses als Zeuge in der Causa BVT geladen werden.

Anonyme Vorwürfe "nicht unproblematisch"

Er habe als Innenminister immer die Prämisse gehabt, "alles was verdächtig ist, geht den rechtlichen Weg", so Sobotka. "Man muss die Dinge genau benennen: Wer hat sich wann und wo etwas zu Schulden kommen lassen. Und dann braucht es saubere Aufarbeitung." Mit anonymen und undurchsichtigen Vorwürfen Menschen zu kriminalisieren, hält der ÖVP-Politiker dabei aber für "nicht unproblematisch". Ausgangspunkt der BVT-Affäre war ja ein anonymes Dossier, das Beschuldigungen gegen Mitarbeiter des BVT beziehungsweise des Innenministeriums enthielt.

Es sei ihm wichtig festzuhalten, dass er sich als Innenminister zu jedem Zeitpunkt auf das Engagement und die Sorgfalt der Polizeibeamten verlassen habe können. Ob es sich bei der BVT-Affäre um eine behördeninterne Intrige oder eine politische Umfärbeaktion von Schwarz zu Blau handelt, will Sobotka nicht beurteilen. "Ich bin nicht mehr für das Innenministerium verantwortlich. Gestatten Sie mir, dass ich mich weder der einen noch der anderen These befleißige. Das sollen jetzt andere machen."

Mehr Anwesenheit

Wolfgang Sobotka will sein neues Amt neutral anlegen und alle Fraktionen gleich behandelt. "Als Nationalratspräsident muss man strikt auf Überparteilichkeit in der Ausführung des Amtes achten. Das ist mir ein persönliches Anliegen", sagte Sobotka.

Mit dem bisherigen parlamentarischen Stil in der neuen Legislaturperiode ist Sobotka "sehr zufrieden – was die Anwesenheit, den Umgang, die Disziplin und die Würde des Hauses betrifft". Sobotkas Ziel sind kürzere und komprimiertere Plenarsitzungen, dafür öfter und mit mehr Anwesenheit. Dass Debatten immer wieder kontroversiell sind, liege in der Natur der Sache. Zugleich betonte der Nationalratspräsident, dass sich die Arbeit der Abgeordneten nicht nur im Plenum abspiele. "Die beginnt schon wesentlich früher, bei der Gesetzeswerdung, in den Ausschüssen, in den Begutachtungen, draußen im Wahlkreis."

FPÖ habe "Österreich-Bewusstsein"

Mahnende Worte fand Sobotka zu antisemitischen, rassistischen und rechtsextremen Vorfällen, die in der jüngeren Vergangenheit bekannt wurden. "Grundsätzlich ist all das, was Antisemitismus, Rassismus oder Nationalsozialismus streift, von der Gesellschaft als Ganzes bewusst zu verurteilen, und es sind die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Es ist nicht immer alles im Strafrecht abbildbar, es gibt auch moralische Grenzen." Antisemitische Liedertexte seien etwa inakzeptabel und verabscheuungswürdig. "Das ist jedem aufrechten Österreicher ein Gräuel."

Der FPÖ attestierte Sobotka das Bemühen um ein klares Bekenntnis zu einem Österreich-Bewusstsein. Darüber hinaus könne er nicht erkennen, dass "irgendein namhafter Funktionär" mit Antisemitismus oder Rassismus liebäugle. "Im Gegenteil, das ist ihnen allen sehr unangenehm." Wenn etwas auftaucht, müssten Konsequenzen gezogen werden. Bisher habe sich die Führung der FPÖ von solchen Vorfällen distanziert und entsprechende Schritte gesetzt. Würde es diese Distanzierung nicht geben, würde er sich jedenfalls zu Wort melden. "Hier gibt es für einen Nationalratspräsidenten keine andere Möglichkeit."

Sorge bereitet Sobotka der in Umfragen immer wieder geäußerte Wunsch nach einem starken Mann. Er will deshalb in der Parlamentsarbeit den Wert der Demokratie noch stärker herausstreichen. "Demokratie findet zu Hause in der Familie statt, in der Schule, in Vereinen, im Betrieb, in den Gemeinden bis hin zum Hohen Haus. Das ist eine unglaubliche Qualität, die wir haben, aber es ist uns nicht immer bewusst. Die Demokratie ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir ihren Wert manchmal gering schätzen."

Weitere Schritte für U-Ausschuss erst im April-Plenum

Wie es mit dem geplanten Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre weitergeht, wird sich erst mit den Plenartagen Mitte April zeigen: Der Geschäftsordnungsausschuss, der das Verlangen der SPÖ für unzulässig erklärt hat, muss nämlich im Nationalrat dazu Bericht erstatten – und erst dann kann sich die SPÖ an den Verfassungsgerichtshof wenden, der dann entscheidet, wer Recht hat.

Die SPÖ wollte vergangene Woche im Geschäftsordnungsausschuss einen U-Ausschuss zu den Vorgängen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung initiieren, was sie mit 52 Abgeordneten grundsätzlich alleine kann. Nach Ansicht der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ ist das Verlangen aber zu allgemein formuliert und deshalb unzulässig.

Die Oppositionspartei prüft nun weitere Schritte – wahrscheinlichste Variante ist, dass die SPÖ den VfGH anruft, damit das Höchstgericht den Streitfall klärt. Die Frist dafür beträgt zwei Wochen. Sie beginnt aber erst mit dem nächsten Plenum zu laufen: "Wurde ein Verlangen für gänzlich unzulässig erklärt, beginnt die Frist mit Beginn der Behandlung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses im Nationalrat", heißt es im Paragraf 56c des Verfassungsgerichtshofgesetzes.

Regulär tritt der Nationalrat das nächste Mal ab 17. April zusammen, und dann wegen des Budgets gleich für vier Tage. Die Plenartage im April sind aber auch für einen weiteren Untersuchungsausschuss maßgeblich: Die dritte Auflage des Eurofighter-U-Ausschusses muss (gemäß Paragraf 4 der Verfahrensordnung) noch im Nationalrat beschlossen werden. Die Mehrheit dafür gilt aber als sicher, ist der Antrag doch auch schon einstimmig durch den Geschäftsordnungsausschuss. Nach dem Beschluss im Plenum ist der U-Ausschuss "unverzüglich zu konstituieren". Bevor die Zeugenbefragungen beginnen können, müssen freilich erst Akten angeliefert und durchgeackert werden. (APA, 26.3.2018)