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Österreichische UN-Soldaten im Jahr 2013 auf den Golanhöhen: Bis Ende des Monats sollen erste Ergebnisse zu dem umstrittenen Vorfall nahe der Position Hermon Süd vorliegen, bei dem unter den Augen von heimischen Blauhelmen neun Syrer im Kugelhagel starben.

Foto: Reuters / Baz Ratner

Frage: Mit Donnerstag hat die Untersuchungskommission des Verteidigungsministeriums die Arbeit zu dem Massaker auf dem Golan am 29. September 2012 aufgenommen. Wer sitzt in dem Gremium?

Antwort: Vier Juristen sollen aus militärischer Sicht die Frage klären, ob und in welchem Umfang ein Fehlverhalten von österreichischen UN-Soldaten vorliegt, die damals nahe der Position Hermon Süd neun syrische Geheimpolizisten in einem Pick-up in einen Hinterhalt fahren haben lassen – worauf alle Insassen im Kugelhagel starben. Die Kommission besteht aus zwei Völkerrechtsexperten – Brigadier Karl Edlinger und Sigmar Stadlmaier von der Universität Linz. Die Namen der beiden anderen Mitglieder gibt das Ministerium offiziell nicht bekannt.

Beitrag aus der "ZiB" um 17 Uhr.
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Frage: Warum nicht – soll etwas vertuscht werden?

Antwort: Nein. Doch die beiden anderen Mitglieder sind Beamte des Verteidigungsministeriums und wollen auf ausdrücklichen Wunsch ihre Namen der Öffentlichkeit nicht preisgeben. Nur so viel: In der Kommission ist auch für allfälliges disziplinarrechtliches Spezialistentum gesorgt.

Frage: Wer aller muss vor dieser Kommission aussagen?

Antwort: In einer ersten Runde werden alle heimischen (Ex-)UN-Soldaten befragt, die mit der anschließenden Schießerei zu tun hatten – und auch jene, "die in die Befehlskette miteingebunden waren", also auch deren Vorgesetzte. Insgesamt sind das etwa ein Dutzend Personen. Tun sich bei den Aussagen weitere Namen von Militärs auf, die involviert waren, werden auch diese vorgeladen.

Frage: Bis wann will die Bundesheerkommission Ergebnisse vorlegen – und reicht deren Befund für eine komplette Aufarbeitung tatsächlich aus?

Antwort: Bis Ende Mai sollen "alle Zusammenhänge minutiös aufgearbeitet sein" und Ergebnisse vorliegen, erklärte Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ). Auch die Uno, unter deren Kommando die Blauhelme standen, hat ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt. Parallel dazu hat die Staatsanwaltschaft Wien bereits Ermittlungen aufgenommen, unter welchen Tatbestand das Verhalten der UN-Militärs fallen könnte. Dem Vernehmen nach geht es vor allem um den Verdacht auf Mord durch Unterlassung.

Frage: Wie beurteilt Verteidigungsminister Kunasek selbst den Vorfall?

Antwort: Bei einem Festakt am Militärflughafen Zeltweg sprach er sich am Donnerstag gegen eine Vorverurteilung aus. Dazu erklärte der Minister: Es habe sich um eine "ganz schwierige Situation, um eine Ausnahmesituation und Stresssituation" gehandelt, daher wolle er den umstrittenen Vorfall aktuell nicht kommentieren, sondern sich "schützend vor die Soldaten" stellen.

Frage: Was sagt eigentlich der Oberbefehlshaber des Bundesheeres zu alledem?

Antwort: Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßt die Untersuchungen – er will den Ergebnissen "jedoch nicht vorgreifen", erklärte er am Rande seines aktuellen Besuches in Bulgarien.

Frage: Was gibt es überhaupt noch zu klären – wo doch die UN-Soldaten auf dem Golan auf den eigenen Videoaufzeichnungen gegenüber den Syrern keine expliziten Warnungen vor dem Hinterhalt ausgesprochen haben?

Antwort: Vorsicht! Derartige Vorwürfe sind bis dato nicht belegt. Dass auf den von den Blauhelmen selbst angefertigten und publizierten Mitschnitten keine expliziten Warnungen zu hören sind, heißt nicht, dass vor Ort gar keine Hinweise auf den Hinterhalt stattgefunden haben.

Frage: Aber wenn diese nicht erfolgten, sind die Soldaten "dran"?

Antwort: Auch hier gilt es zunächst zu klären, welche militärischen Befehle an die Blauhelme ausgegeben wurden. Denn das Blutbad fand in der Pufferzone zwischen Syrien und Israel statt, in die sich damals auch Kämpfe im Zuge des innersyrischen Bürgerkriegs verlagert haben. Dazu soll die Order von oben "strikte Nichteinmischung" gelautet haben. Wer diesen Befehl konkret ausgegeben hat, das gilt es auch zu durchleuchten.

Günther Greindl, der ehemalige Kommandant der UNO-Schutztruppe am Golan, betont die Unparteilichkeit von UNO-Soldaten und das regelkonforme Verhalten der filmenden Männer.
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Frage: Wie waren die österreichischen Soldaten ausgerüstet – hätten sie sich überhaupt wehren können?

Antwort: Die Soldaten waren bloß mit Splitterschutzwesten und Gewehren mit einer moderaten Einsatzschussweite von 300 Metern ausgestattet. Oberst Paul Schneider schrieb 2014, also ein Jahr nach Ende der österreichischen Mission auf dem Golan, in einem Beitrag für die Bundesheerzeitschrift "Truppendienst", dass "die leichte Bewaffnung, die mangelnde Ausstattung mit gehärteten Fahrzeugen und die Ausrichtung der Logistik (...) für eine Auftragserfüllung unter den gegebenen Bedingungen kaum mehr ausreichend" waren. Und weiter: "Mit entsprechender Bewaffnung und Fahrzeugausstattung hätten die meisten Soldaten des Kontingents diese Bewährungsprobe weiter bestanden." Nachfolgekontingente auf dem Golan wurden nach diesen Erfahrungen unter anderem mit Bordwaffen und Granatwerfern ausgestattet.

Frage: Zeichnen sich UN-Missionen nicht dadurch aus, dass sie eigentlich unbewaffnet sind?

Antwort: Ja und nein. Die ersten UN-Militärbeobachter im Palästinakrieg 1948 waren tatsächlich unbewaffnet – und es gibt noch heute vieler solcher Einsätze. Die Mission Undof (United Nations Disengagement Observer Force) – und damit auch das österreichische Kontingent Ausbatt/Autcon – ist beziehungsweise war ein bewaffneter Einsatz. Eine solche Friedensmission setzt eine entsprechende Uno-Resolution voraus, die Art, Umfang und Dauer genau festlegt. Solche Blauhelme haben zwar keinen Kampfauftrag, verfügen aber über Waffen, die sie unter genau definierten Umständen und in begrenztem Umfang auch einsetzen dürfen, etwa zur Herstellung und Wahrung der eigenen Sicherheit und Bewegungsfreiheit – aber auch jener von Zivilisten im Einsatzgebiet. (Nina Weißensteiner, Gianluca Wallisch, 3.5.2018)