Galt Österreich vor acht Jahren noch als Musterschüler beim Ausbau der IT-Infrastruktur, hinkt das Land heute dem EU-Durchschnitt hinterher. Die von nunmehr vier Infrastrukturministern und einer -ministerin versprochene Breitbandmilliarde wurde bisher kaum für tatsächliche Kabel angezapft. Jetzt soll das Geld in den 5G-Ausbau fließen.

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Österreich ist ein kleiner Markt und ein Hochlohnland. Daran kann beziehungsweise will niemand etwas ändern. Ein großer Vorteil ist die Nähe zu Osteuropa und das dadurch entstandene Know-how in diesen aufstrebenden Märkten. Gleichzeitig bietet Österreich hohe Lebensqualität.

Um als attraktiver Standort mit der Weltspitze mithalten zu können, sind fähige Leute, hohe Innovationskraft, gute Infrastruktur notwendig – ebenfalls relevante bürokratische Hürden und steuerliche Anreize sind hier einmal ausgeklammert. In jedem dieser Felder hat Österreich seine Stärken und Schwächen.

STÄRKE: Loyale Mitarbeiter

Gut ausgebildete Arbeitskräfte sind der wichtigste Anziehungspunkt für ausländische Investoren in Österreich, erklärt René Siegl gegenüber dem STANDARD. Der Standort sticht erstens mit der dualen Lehrlingsausbildung heraus. Zweitens besitzen Absolventen Höherer Technischer Lehranstalten (HTL) bereits im Alter von 19 ein solides Wissen, das in vielen anderen Ländern einem Bachelorabschluss entspricht. Für Firmen im Technologiebereich, die Spitzenleute ohnehin auch international rekrutieren, ist es oft wertvoller, wenn eine gut ausgebildete, breite Schicht an Mitarbeitern vor Ort lebt.

Abgesehen vom hohen Qualifikationsniveau ist auch die Loyalität der heimischen Arbeitskräfte im internationalen Vergleich hoch. Investoren legen Wert darauf, dass an einem neuen Standort die Fluktuation gering bleibt.

SCHWÄCHE: Bildungsschwäche

Das heimische Bildungssystem weist allerdings am oberen und unteren Ende Mängel auf. Trotz hoher Pro-Kopf-Ausgaben schneiden Pflichtschüler in Lesen und Mathe unterdurchschnittlich ab. Unternehmen klagen bereits, dass sie zu wenige geeignete Lehrlinge finden.

Im Universitätsbereich fehlt Österreich ein absolutes Spitzeninstitut, wie es sie in den vergleichbar großen Nachbarregionen, Schweiz und Bayern gibt. Engpässe in Studienrichtungen wie Physik oder Informatik limitieren genau jene Absolventen, die von der Wirtschaft massiv nachgefragt werden. Die Zahl neuer Doktoranden ist laut EU-Kommission seit 2010 nicht nur im Verhältnis zu anderen Ländern, sondern auch in absoluten Zahlen gesunken. Langfristig sei das Bildungssystem die größte Herausforderung für Österreich im Standortwettbewerb, bestätigt Siegl.

STÄRKE: Hohe Forschungsförderung

Die Forschungsquote in Österreich erreicht 2018 wieder ein Rekordniveau. Die Ausgaben für Innovationen sollen heuer auf 3,19 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Im Vorjahr lagen die Ausgaben ein knappes Drittel über dem EU-Durchschnitt. Trotzdem hat die vorherige Regierung die Forschungsprämie weiter von zwölf auf 14 Prozent erhöht. Eine vorausgegangene Evaluierung hat ergeben, dass jeder Fördereuro 1,26 Euro an Forschungsausgaben auslöst.

SCHWÄCHE: Weniger innovationsfreundlich

Der Standort hinkt jedoch bei der privaten Forschungsintensität im Vergleich mit anderen innovativen Volkswirtschaften hinterher. Insgesamt zählt Österreich im Rangsystem der EU-Kommission zwar zu den "starken", aber nicht zu den "führenden Innovatoren" wie England, die Niederlande, Teile Skandinaviens sowie Süddeutschland. 2017 ist Österreich im Bereich "Innovationsfreundlichkeit" nicht nur relativ zum EU-Schnitt, sondern auch im absoluten Vergleich zu 2010 abgestiegen.

STÄRKE: Gut auf Schiene

Im IMD-Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit 2018 hat sich Österreich um einen Platz (15) verbessert. Das Schienen- und Straßennetz gilt als heimische Stärke.

SCHWÄCHE: Zu langsames Internet

Im EU-Vergleich wird der mangelnde Breitbandausbau als größte Schwachstelle für Innovation erachtet. Förderungen werden weiterhin im Rahmen der "Breitbandmilliarde" vergeben, die Mittel flossen notorisch langsam.

Die Regierung hat den raschen Ausbau der 5G-Infrastruktur angekündigt. Die Zeit drängt: Vor acht Jahren lag Österreich bei der IT-Infrastruktur noch im EU-Spitzenfeld. (Leopold Stefan, 27.6.2018)