Bundeskanzler Sebastian Kurz muss auch seine eigene Haltung zum Thema Presse- und Informationsfreiheit überdenken.

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Es ist eigentlich selbstverständlich – und dennoch im Sinne von Demokratie und Pressefreiheit beruhigend, dass der Bundeskanzler die Medienpolitik des Innenministeriums klar verurteilt. Sebastian Kurz wandte sich am Dienstag von New York aus, wo er an der UN-Generalversammlung teilnimmt, an den Hausherrn in der Herrengasse: Jede Einschränkung von Pressefreiheit sei "nicht akzeptabel", stellte Kurz zu den "Anregungen" des Innenministeriums zum Umgang mit kritischen Medien wie dem STANDARD klar. Gut so.

Denn hier wurde eine Grenze überschritten. Die E-Mail aus dem Kickl-Ressort ist die schriftliche Festlegung von versuchter Medienmanipulation. Daher muss Kurz seinem Statement Taten folgen lassen: Er muss seinem Koalitionspartner klar und deutlich machen, dass "Medienarbeit", wie die FPÖ sie versteht, in der Regierung eines demokratischen Staates nicht möglich ist. Dass es unerträglich ist, wenn offizielle Amtsinhaber meinen, sie könnten kritische durch Hofberichterstattung ersetzen. Dass es nicht hinnehmbar ist, wenn für die Öffentlichkeit relevante Informationen nach Belieben und Gutdünken verteilt werden. Und dass es nicht angeht, dass der Innenminister seinen Ressortsprecher einerseits zum Bauernopfer macht, andererseits aber via Aussendung dessen Strategie bekräftigt und gegen kritische Medien erneut nachtritt.

Da wird etwa die Tatsache, dass der STANDARD über die E-Mail des Ressortsprechers berichtet und sie kritisch kommentiert, bereits zum Beleg für dessen "Voreingenommenheit". Hier ist Aufklärung vonnöten: Kritik ist in einer Demokratie nicht nur zulässig, sie ist für ihr Funktionieren auch notwendig. Wer Kritik unterbindet, schadet der Republik und beschneidet demokratische Grundrechte.

Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat

Dieses eigentlich selbstverständliche Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat muss der Bundeskanzler von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinem gesamten Team einfordern – umso schlimmer, dass das überhaupt vonnöten ist. Nach den zahlreichen Skandalen, die sich in der kurzen Zeit ereignet haben, seit Kickl Chef des Innenministeriums ist, müssen Kanzler und Vizekanzler auch die Frage schlüssig beantworten, ob er der richtige Mann an der Spitze des Sicherheitsressorts ist.

Kurz muss auch seine eigene Haltung zum Thema Presse- und Informationsfreiheit überdenken. Als einer von wenigen in der rot-schwarzen Vorgängerregierung hatte er die Abschaffung des Amtsgeheimnisses gefordert. Allerdings gibt es bis heute kein Informationsfreiheitsgesetz, und offenbar ist derzeit auch keines geplant.

Schließlich muss sich die Regierung selbstkritisch fragen, ob sie es mit der Message-Control nicht übertreibt. In Unternehmen ist es eine Frage von Professionalität, dass alle mit einer Stimme sprechen. Aber Politiker in einer pluralistischen Demokratie können nicht einheitlich agieren und sprechen wie Konzernchefs. Kanzler Kurz ist dafür, dass das Innenministerium eine neue Kommunikationsrichtlinie erarbeiten will, welche die "faire Zusammenarbeit mit allen Medien anstrebt". Fair ist immer gut. Die Medien könnten, allein aus den Erfahrungen der vergangenen Monate, wertvolle Tipps geben, wie man es garantiert nicht macht.

Im Übrigen kann es ohnehin nicht gelingen, kritische Berichterstattung zu unterbinden. Denn es ist der Job der Medien, alle Informationen nach bestem Wissen und Gewissen gründlich zu überprüfen. Egal, woher sie stammen. (Petra Stuiber, 25.9.2018)