Vom Rettungswagen ins Spitalsbett – das kann in Wien mitunter mehrere Stunden dauern. Warum das so ist, das untersuchte der Stadtrechnungshof.

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Wien – Ein aktueller Bericht des Wiener Stadtrechnungshofs zeigt, dass ein Viertel der Patienten, die Spezialbetten oder einen Schockraum benötigen, mehr als zwei Stunden bis zur Behandlung in einem Spital des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) benötigen. Drei Viertel der Patienten, die besonders schwer krank oder schwer verletzt waren, warteten bis zu zwei Stunden.

40 untersuchte Problemfälle

Das gilt aber nicht für alle Patienten: Untersucht wurden nämlich 40 Fälle, die die Rettung zwischen Mai 2016 und Juli 2018 bereits als "problematisch" eingestuft hatte. Das heißt, dass es von der Alarmierung der Einsatzkräfte bis zur Übergabe durch die Rettung an die Spitäler "auffallend lang" gedauert hat. Betroffen waren vor allem Menschen, die einen Herzinfarkt erlitten, Schlaganfallpatienten, Patienten mit schweren Verbrennungen oder Vergiftungen.

Die Wiener Rettung und der KAV verwenden seit Jahren ein gemeinsames elektronisches Datenverarbeitungsprogramm zur Disponierung der dafür benötigten Spezialbetten. Woran hapert es also? Der Stadtrechnungshof merkt an, dass die Rettungsstelle "trotzdem oftmals vor den Rettungszufahrten in die Krankenanstalten zeitintensive Telefonate mit unterschiedlichsten Ansprechpersonen" im KAV führen musste. Dies sei vor allem "auf die zum Teil mangelhafte Pflege der im elektronischen Datenverarbeitungsprogramm einzugebenden Daten über freie Bettenkapazitäten zurückzuführen".

Letzter Ausweg: Nach Niederösterreich

Aus dem Bericht geht außerdem hervor, dass die Rettung teilweise mehrere Spitäler anfahren musste, oft seien alle Spezialbetten belegt gewesen, in manchen Fällen habe man auf die knappe Personalsituation hingewiesen. Und: "Eine Transferierung nach Niederösterreich wurde in Einzelfällen als letzter Lösungsansatz angesehen."

Ab Anfang des Jahres 2017 konnten die Prüfer eine "geänderte Vorgehensweise durch die Rettungsleitstelle" beobachten – die Patienten wurden dann in die nächstgelegenen Spitäler gebracht. Nach Auskunft der Rettungsleitstelle seien Schlaganfallpatienten in der Folge rascher versorgt worden. Bei Unfallopfern, die einer Erstversorgung in einem Schockraum bedurften, blieb es aber dabei – sie waren "schwer disponierbar".

Schwere Kommunikationsprobleme

Was sagt der kritisierte KAV im Bericht? Retrospektiv betrachtet sei "nur mehr eingeschränkt nachvollziehbar", woraus sich gewisse Unschärfen ergeben würden. Davon unabhängig habe man auf Kommunikationsdefizite hingewiesen. Vermehrte Ablehnungen bei Schlaganfallpatienten seien etwa durch "teilweise fehlende telefonische Ankündigungen" durch die Berufsrettung zu erklären.

Warum es in zumindest zwei Fällen zu Ablehnungen von Patienten mit toxikologischen Indikationen kam, obwohl die von der Rettungsleitstelle angefragte Toxikologische Intensivstation nicht voll belegt war, konnte der KAV aus den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht nachvollziehen.

Der Stadtrechnungshof kommt bezüglich der Rettung zum Schluss, dass diese "ihr Prozedere zum Disponieren von Intensivbetten bislang kaum an die schrittweise vorgenommenen Veränderungen der Versorgungsstrukturen in den Wiener Städtischen Krankenanstalten angepasst hatte".

Opposition empört

Die Wiener Volkspartei ist ob der Prüfungsergebnisse empört: "Es ist unfassbar, dass die Stadt Wien die optimale und zeitnahe Versorgung von sensiblen Fällen wie Schlaganfallpatienten nicht ordnungsgemäß durchführen kann", sagt Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. "Hier stehen Menschenleben auf dem Spiel, und die schnellstmögliche Versorgung muss sichergestellt werden." Es sei unglaublich, dass ein EDV-System bestehe, aber die Mitarbeiter trotzdem zusätzlich zeitintensive Telefonate führen müssen.

Kritik kommt auch von den Neos. "Immer wieder haben wir auf die Personalengpässe in den Spitälern hingewiesen", sagt Klubchef Christoph Wiederkehr zum "Kurier". "Das kann den Tod bedeuten. Es ist schockierend, dass die Stadt Wien die Versorgung nicht besser im Griff hat."

KAV: Verzögerungen "inakzeptabel"

"Die Versorgungskette muss einwandfrei funktionieren, denn in einem Notfall zählt jede Minute", sagt Michael Binder, Ärztlicher Direktor des KAV, nach Veröffentlichung des Prüfberichts. "Verzögerungen bei der Übernahme von Patienten sind absolut inakzeptabel". Das gemeinsame Ziel mit der Berufsrettung sei, vier von fünf Patienten binnen 15 Minuten im Spital übergeben zu können. Diesem Ziel sei man auch deutlich näher gekommen, so der Leiter der Berufsrettung, Rainer Gottwald, "längere Wartezeiten für einen Transport ins Spital kommen aufgrund der gesetzten Maßnahmen praktisch nicht mehr vor."

Einige vom Stadtrechnungshof vorgeschlagene Empfehlungen setze man bereits um. Wir haben sofort nach der Prüfung gemeinsam mit der Rettung erste Maßnahmen gesetzt" so Binder.

Das elektronische Ampelsystem (Echtzeit Bettensystem) in der Leitstelle wurde Anfang 2018 überarbeitet. "Die Telefonate auf der Suche nach Betten haben sich stark verringert. Seither sind keine Fälle mit längeren Wartezeiten für einen Transport ins Spital dokumentiert", sagt Gottwald.

Weiterer Prüfbericht zu teurem EDV-System

In einem weiteren am Donnerstag erschienenen Bericht kritisiert der Stadtrechnungshof die Auftragsvergabe zu einem EDV-System für das AKH, das im Bereich Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin zum Einsatz hätte kommen sollen.

Das Projekt war allerdings letztendlich erfolglos, an externen und internen Aufwänden fielen Kosten in Höhe von rund 800.000 Euro an. Das Scheitern führt der Stadtrechnungshof darauf zurück, dass das Projekt von gravierenden Verzögerungen geprägt war, die allerdings im Wesentlichen in der Zuständigkeit der Auftragnehmerin lagen.

Der Stadtrechnungshof prüfte die Auftragsvergabe, um Verbesserungspotenziale bei der Abwicklung solcher Projekten für die Zukunft aufzuzeigen. Das Versäumnis der Stadt lag unter anderem darin, nicht vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen, als sich schon abzeichnete, dass es Schwierigkeiten gab. Das kritisieren auch die Neos. Für sie reiht sich der Fall ein in viele "lange, chaotische Projektabläufe", die es beim KAV schon gegeben habe. (lhag, rwh, 9.5.2019)