Die Parteien hielten große Teile ihrer Wählerschaft aus dem Jahr 2014 und schafften es durch die Bank, ehemalige Nichtwähler zu mobilisieren.

  • Die ÖVP konnte laut Wählerstromanalyse bei dieser Wahl den größten Anteil ihrer Wählerschaft halten: Etwa 90 Prozent der ÖVP-Wähler (etwa 686.000) aus dem Jahr 2014 haben wieder ihr Kreuz bei der ÖVP gemacht. Gewonnen hat die ÖVP vor allem von damaligen Nichtwählern oder noch nicht Wahlberechtigten – rund 387.000 Stimmen oder elf Prozent dieser Gruppe. Weiters sind etwa 19 Prozent (105.000) der damaligen FPÖ-Wähler zur ÖVP gewechselt.
  • Der SPÖ hielten 85 Prozent ihrer Wähler die Treue, das entspricht etwa 579.000 Stimmen. Von und zu anderen Parteien gibt es aus SPÖ-Perspektive keine nennenswerten Ströme, allerdings erhält sie rund 225.000 Stimmen von Personen, die 2014 nicht gewählt haben. Im Gegenzug verliert die SPÖ an die Gruppe der Nichtwähler einige wenige ehemalige Wähler (rund 46.000). Dass die SPÖ wohl trotzdem leicht schlechter abschneidet als bei der letzten Wahl, ist der höheren Wahlbeteiligung geschuldet.
  • Rund 68 Prozent der FPÖ-Wähler aus dem Jahr 2014 blieben ihrer Partei auch bei dieser Wahl verbunden. Wie oben erwähnt, verlor die FPÖ einige Wähler an die ÖVP, konnte aber etwa 174.000 ehemalige Nichtwähler mobilisieren.
  • Die Grünen hielten etwa drei Viertel (rund 309.000) ihrer Wählerschaft aus dem Jahr 2014. Zugewinne (148.000 Stimmen) kamen vor allem aus dem Lager der Nichtwähler, einige ihrer damaligen Stimmen (14 Prozent, rund 58.000) gingen diesmal wohl an die Neos.
  • Etwa 23 Prozent (52.000) der Stimmen, die 2014 an die Neos gegangen waren, wanderten zur ÖVP, rund 61 Prozent blieben den Neos treu. Neben ehemaligen Grünen-Wählern wählten auch rund 89.000 ehemalige Nichtwähler dieses Mal die Neos.

Im Vergleich zur Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl 2017 liegt noch nicht lange zurück, weshalb sie sich für einen Vergleich mittels Wählerstromanalyse anbietet. Ein beachtenswerter Unterschied ist allerdings die Wahlbeteiligung. Während 2017 80 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hatten, waren es bei der EU-Wahl am Sonntag etwas über 50 Prozent. So verloren vor allem die größeren Parteien große Teile ihrer Wählerschaft an die Gruppe der Nichtwähler.

  • Die ÖVP verliert im Gegensatz zur Nationalratswahl 2017 nur wenige Wähler an andere Parteien. Der größte Strom weg von der ÖVP ist – bedingt durch die allgemein niedrigere Wahlbeteiligung – der zur Gruppe der Nichtwähler. 24 Prozent oder 376.000 ihrer Wähler aus dem Jahr 2017 gingen dieses Mal nicht mehr zur Wahl – dagegen wählten rund 69 Prozent (1.105.000) wieder türkis. Mit 96.000 Stimmen ging die größte Wählerbewegung zur ÖVP von Wählern aus, die 2017 für die SPÖ gestimmt hatten.
  • Neben einer gewissen Abwanderung zur ÖVP verliert die SPÖ im Vergleich zur Nationalratswahl vor allem an die Grünen: Dorthin wanderten rund 130.000 Wähler, etwa jeder Zehnte aus dem Jahre 2017.
  • Bei der FPÖ fällt der Verlust an die Nichtwähler von allen Parteien am stärksten aus: Jeder Zweite, der bei der Nationalratswahl blau gewählt hatte, blieb bei der EU-Wahl am Sonntag daheim.
  • Die Grünen können mit 76 Prozent den größten Prozentsatz aller Parteien an ehemaligen Wählern halten, freilich ausgehend vom niedrigem Niveau bei der Nationalratswahl. Neben dem Strom von ehemaligen SPÖ-Wählern gewinnen die Grünen noch etwa gleichermaßen von Pilz- (81.000) und Neos-Wählern (77.000) dazu.
  • Die Neos erhielten aus verschiedensten Lagern einige wenige Stimmen dazu. Der größte dieser kleinen Ströme (rund 54.000 Stimmen) kommt aus dem Lager der ehemaligen SPÖ-Wähler.

Wenn Sie genauer wissen wollen, wie solche Wählerstromanalysen zustande kommen, können Sie es sich hier von Staatswissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik genauer erklären lassen:

DER STANDARD

(kies, 27.5.2019)