Der Europäische Gerichtshof hat der Republik Österreich recht gegeben, dass die deutschen Pläne für eine Pkw-Maut, die in der Praxis nur von Ausländern gezahlt werden muss, gegen das Unionsrecht verstoßen.

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Es ist ein großer Tag für Österreich, ein unerwarteter Sieg über den deutschen Nachbarn, ein zweites Córdoba, das allerdings viel mehr zählt als jeder Erfolg der Fußballnationalmannschaft. Der Europäische Gerichtshof hat der Republik Österreich recht gegeben, dass die deutschen Pläne für eine Pkw-Maut, die in der Praxis nur von Ausländern gezahlt werden muss, gegen das Unionsrecht verstoßen.

Die Richter haben sich damit gegen die Rechtsmeinung der EU-Kommission gestellt, die das deutsche Vorhaben nach einigen Abänderungen abgesegnet hat, sowie auch gegen die Ansicht des Generalanwalts, der ebenfalls keinen Rechtsverstoß gesehen hat. Und vor allem hat der EuGH gezeigt, dass er sich nicht von politischen Machtverhältnissen leiten lässt und bereit ist, das größte und wichtigste EU-Mitglied bei einem zentralen politischen Vorhaben vor den Kopf zu stoßen. Die Richter haben damit eine Unabhängigkeit bewiesen, die ihnen viele nicht zugetraut haben.

Indirekte wirtschaftliche Diskriminierung

Der Gerichtshof ist dabei der Meinung der meisten Europarechtsexperten gefolgt, die von Anfang an gesagt haben, dass der von der CSU im Wahlkampf 2013 ausgeheckte Plan mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei. Deutschland habe das Recht, eine Pkw-Mautvignette einzuführen, um den Straßenausbau zu finanzieren, genauso wie es Österreich einst getan hat. Aber wenn die deutschen Autohalter um den gleichen Betrag bei anderen Kfz-Abgaben entlastet würden, dann zahlten nur Ausländer die Abgabe – und das stelle eine indirekte wirtschaftliche Diskriminierung dar.

Dass der Generalanwalt das anders sah, hat viele Juristen überrascht. Sie befürchteten, dass ein Ja zur Pkw-Maut das Tor für andere Steuern dieser Art in der EU öffnen könnte. Das mag auch für den EuGH ein Motiv gewesen zu sein, sich so deutlich gegen die Regierung in Berlin zu stellen.

Ein Glück für österreichische Autofahrer

Für österreichische Autofahrer ist die Entscheidung ein Glück. Die deutsche Maut hätte vor allem jene Menschen hart getroffen, die häufig übers deutsche Eck zwischen Tirol und Salzburg pendeln. Sie hätten für dieses kurze Stück im Jahr mehr bezahlen müssen als für die Nutzung aller österreichischen Autobahnen.

Und die österreichische Regierung kann sich rühmen, gegen den Ratschlag vieler die Klage vor dem EuGH durchgezogen zu haben. Es hat sich ausgezahlt.

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) könnte nun die Mautpläne noch einmal abwandeln, sodass sie unionsrechtskonform werden. Objektiv gesehen sollte er das tun, denn es ist angesichts der Umweltbelastungen und des Klimawandels falsch, dass Autobahnen gebührenfrei sind. Doch dafür müsste er deutsche Autohalter zur Kasse bitten, und das haben CDU und CSU mehrfach ausgeschlossen.

Es drohte ein Verlustgeschäft

Wahrscheinlicher ist es, dass die Regierung von Angela Merkel die Pläne nun fallen lässt. Das Projekt ist ohnehin zeitlich massiv im Verzug, die Kostenschätzungen sind gestiegen und die Einnahmen dürften geringer sein als ursprünglich gedacht. Zuletzt hieß es sogar, die Maut könnte sich als Verlustgeschäft erweisen.

Das Beste wäre, wenn das EuGH-Urteil als Anlass für die Einführung einer gesamteuropäischen kilometerabhängigen Pkw-Maut genommen wird, was die EU-Kommission schon länger betreibt. Das würde niemanden in der EU diskriminieren und niemanden bevorzugen. Doch dagegen stellen sich zahlreiche Staaten mit funktionierenden Mautsystemen, darunter auch Österreich. Der Fleckerlteppich mit Vignetten und Mautstellen wird daher wohl bleiben – und ebenso der politische Dauerstreit, wer wie viel fürs Autofahren bezahlen soll. (Eric Frey, 18.6.2019)