Die FPÖ will gegen die Impfpflicht vorgehen (Symbolbild).

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Wien – Die FPÖ will gegen die Impfpflicht in Österreich auf EU-Ebene vorgehen. Der EU-Abgeordnete Roman Haider hat bei der Kommission das Verlangen für die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Österreich eingebracht, weil das Impfpflicht-Gesetz ein unverhältnismäßiger Einschnitt in elementare Grund- und Freiheitsrechte der Österreicher sei. Damit verletze Österreich die Grundwerte der EU, die 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam eingeführt wurden, sagte Haider am Mittwoch.

Der Europaabgeordnete macht in seinem Schreiben an die EU-Kommission geltend, dass mit der Einführung einer Impfpflicht Österreich gegen das Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt verstoße, da nur mehr geimpfte Personen am Sozial- und Arbeitsleben mitwirken können. Auch das Recht auf Unversehrtheit sieht er berührt

"Österreich ein Fall für internationale Beobachtermissionen"

Österreich habe sich durch das Impfpflicht-Gesetz international in die Auslage gespielt – aber nicht im positiven Sinn. Eine niederländische Anwaltskanzlei habe bereits einen Brief an Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) geschrieben und dort angekündigt, einen Ausschluss Österreichs aus der EU anzustreben: "Wenn tatsächlich eine Impfpflicht eingeführt wird, dann hat ein Land wie Österreich mit einer Regierung wie der Ihren keinen Platz in der EU", so Haider bei einer Pressekonferenz in Wien.

Mit der Einführung des Impfzwangs rücke Österreich in die Nähe von Staaten wie Tadschikistan, Turkmenistan, Indonesien oder Ecuador. "Normalerweise ist Österreich bereits ein Fall für internationale Beobachtermissionen, die in ein Land geschickt werden, um nach dem Rechten zu sehen. Die EU tut allerdings nichts – daher habe ich das Verlangen auf Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens heute eingebracht", erklärte Haider.

Sollte in diesem Verfahren am Ende herauskommen, dass durch das Handeln der schwarz-grünen Regierung die Gefahr einer Verletzung der EU-Werte besteht oder bereits eine schwerwiegende Verletzung erfolgt ist, können unterschiedliche Sanktionen verabschiedet werden – bis hin zur Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates.

SPÖ zu FPÖ-Vorstoß: "Politisch verantwortungslos"

Kritik an Haider äußerte SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath: "Ein Gesetz zum gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung mit dem systematischen Abbau von Demokratie, Rechtsstaat und freier Presse gleichzusetzen, ist inhaltlich falsch und überdies politisch verantwortungslos."

Auch warf sie Haider "eklatante Unkenntnis über das Verfahren und die Rechtsgrundlage eines Artikel-7-Verfahrens" vor. Im Regelwerk sei nicht vorgesehen, dass ein EU-Abgeordneter alleine "das Verlangen auf Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen einen Mitgliedstaat" bei der EU-Kommission einbringen könne. Dafür brauche es ein geregeltes Verfahren im EU-Parlament.

Artikel 7 gilt als "Atombombe" in Brüssel

Mit Artikel 7 des EU-Vertrags soll sichergestellt werden, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten an Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit halten. Er sieht bei "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" der Werte als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor. Weil es so schwerwiegende Sanktionen möglich macht, wird es in Brüssel auch als "Atombombe" bezeichnet. Die Hürden dafür sind allerdings äußerst hoch.

Um ein solches Verfahren einleiten zu können, braucht es nämlich einen "begründeten Vorschlag" der EU-Kommission, des Europaparlaments oder eines Drittels der EU-Mitgliedsstaaten.

Im ersten Schritt des Verfahrens ist vorgesehen, dass offiziell festgestellt wird, dass in einem Land die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Dafür wäre im Rat der Mitgliedstaaten eine Vier-Fünftel-Mehrheit erforderlich. Das heißt, 22 Länder müssten zustimmen. Vor dem Beschluss muss das betroffene Mitgliedsland angehört werden. In einem zweiten Schritt müssten die EU-Partner dann sogar einstimmig feststellen, dass eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der Werte tatsächlich vorliegt. Dabei ist auch die explizite Zustimmung des Europaparlaments erforderlich.

Erst danach könnte mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, bestimmte Rechte des Landes – einschließlich der Stimmrechte – auszusetzen. Die qualifizierte Mehrheit würde in diesem Fall die Zustimmung von mindestens 20 Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung erfordern. (APA, red, 2.2.2022)