Der von mehreren Mitarbeitern genutzte Schreibtisch ist in der Zeit der Pandemie wieder sehr unbeliebt geworden.

Foto: Getty Images/iStockphoto

"Auf dem Büromarkt findet ein Verdrängungswettbewerb statt", sagt Elisa Stadlinger.

Foto: ÖRAG/Wilke

Elisa Stadlinger wird dies Woche zum sechsten Mal die Mipim in Cannes besuchen, zum ersten Mal als Geschäftsführerin im Maklerhaus Örag, zuständig für Gewerbe. Sie schätzt den noch stärkeren internationalen Fokus auf der Mipim, etwa im Vergleich zur Expo Real in München. Die Messe sei kleiner, dadurch könne man sich aber auch mehr Zeit für Gespräche nehmen. Den STANDARD empfing sie im Café Bräunerhof in der Wiener Innenstadt.

STANDARD: Corona hat für ein großes Umdenken am Büromarkt gesorgt. Wie ist die Lage?

Stadlinger: Wenn ich früher mit Vorständen oder Geschäftsführern eines Unternehmens gesprochen habe, hat sich eigentlich jeder weniger intensiv mit dem Büro auseinandergesetzt als jetzt. Doch nun, ungefähr seit einem Jahr, haben sich mittlerweile alle mit den Flächen beschäftigt. Der Wunsch, sich zu verkleinern, ist jetzt aber eher die Ausnahme, wie wir festgestellt haben. Das sehen wir nur bei großen internationalen Unternehmen. Die meisten anderen haben festgestellt, dass die Fläche an sich nicht mehr für sie passt. Die bauen jetzt also um, oder sie suchen gleich etwas Neues. Bei Letzterem können wir zwei Dinge feststellen: Zum einen geht man in bessere Lagen, meist also in Bürocluster mit guter Infrastruktur, und zum anderen werden hochwertigere Flächen gesucht. Branchen wie der Tourismus, wo es in den letzten drei Jahren schlecht lief, natürlich ausgenommen. Aber manche Branchen haben ja auch von der Krise profitiert. Die suchen hochwertige Flächen, weil sie sagen, sie attraktivieren ihr Office im Gegensatz zum Homeoffice.

STANDARD: In bessere Lagen zu übersiedeln geht sich aber irgendwie nicht für alle aus, oder?

Stadlinger: Nein, das geht sich nicht aus. Vor allem auch deshalb, weil wir heuer zu viel Nachfrage für zu wenig Angebot erwarten. Ich möchte alle Entwickler, die Projekte in Wien planen, darin bestärken, diese auch umzusetzen, denn sonst gehen uns die Flächen bald aus.

STANDARD: Wenn es zu Umbauten kommt, spielt dann die Pandemie auch noch eine Rolle – Stichwort Hygiene?

Stadlinger: Ja, die Leute haben jetzt ein hohes Hygienebewusstsein. Niemand will mehr mit vielen Leuten in einem großen Raum sitzen. Verschiedene Zonen mit zehn bis zwölf Leuten in einem Raum gehen schon noch, aber größer wird es meist nicht mehr. Und viel mehr kleinere Räume braucht man jetzt natürlich auch für Videokonferenzen. Generell sind also das Großraumbüro und auch der geteilte Arbeitsplatz auf dem absteigenden Ast.

STANDARD: Ist das vielgepriesene Desksharing also schon wieder tot?

Stadlinger: Tot nicht, aber es geht definitiv wieder zurück. Die Leute wollen ihre eigene Tastatur haben, ihren eigenen Telefonhörer etc. Man hat zudem aber auch festgestellt, dass Menschen, die am selben Standort arbeiten, wenn sie keine Möglichkeit zum persönlichen Kontakt haben, das Homeoffice präferieren. Denn da geht’s ja ums gemeinsame Brainstormen und die informelle Kommunikation. Wenn da einer im ersten und der andere im sechsten Stock sitzt, dann kann der eine gleich in der Innenstadt und der andere in Mödling im Homeoffice arbeiten, beispielsweise. Die Vorteile des Büros gibt es dann nicht.

STANDARD: Heuer werden am Wiener Büromarkt voraussichtlich nur ca. 50.000 Quadratmeter Neuflächen fertig. Wie viele bräuchte es denn?

Stadlinger: Rund das Doppelte, das wäre vernünftig, damit wir wieder vermieten können. Zwischen 150.000 und 200.000 Quadratmeter werden pro Jahr üblicherweise vermietet.

STANDARD: Ließe sich der Mangel auch mit vermehrten Umnutzungen ausgleichen? Vielleicht auch von Wohnen in Büro, ist das denkbar?

Stadlinger: Ich wüsste kein Projekt, das in diese Richtung umgenutzt wurde. In die andere Richtung wird es weiterhin funktionieren, weil die Büronutzer eher nicht mehr in gemischten Grätzeln sitzen wollen, sondern in Büroclustern oder entlang von Büroachsen. Aber natürlich werden die meisten Büroobjekte wieder als Büro vermietet. Und Umnutzungen von Gewerbe- und Industrieobjekten in Büros funktionieren auch weiterhin, sofern sie eine gute Anbindung haben.

STANDARD: Was die Vermietungen betrifft, gibt es hier auch wieder Zuzug aus dem Ausland?

Stadlinger: Nein, das sehen wir derzeit überhaupt nicht, jedenfalls nicht großvolumig. Da kommen sehr wenige neue Anfragen. Es findet eher ein Verdrängungswettbewerb auf dem Büromarkt statt.

STANDARD: Sollte die Stadt Ansiedlungen in Wien mehr bewerben, etwa auch auf der Mipim?

Stadlinger: Man könnte sicherlich mehr auf den Wirtschaftsstandort Wien hinweisen und versuchen, Zuzug zu lukrieren. Das würde mit wirtschaftspolitischen Argumenten funktionieren.

STANDARD: Zum Schluss gehen wir bitte noch ein paar Segmente durch: In der Logistik gibt es einen Nachfrageboom, aber auch hier viel zu wenige Flächen. Wie lange noch?

Stadlinger: Es sind sehr viele Entwickler nach Österreich gekommen, der Trend wird sich bald umdrehen. Logistikprojekte sind meist schwierig umzusetzen, der Widerstand ist meist hoch, aus verständlichen Gründen, Stichwort Bodenverbrauch. Aber es möchte halt jeder sein Amazon-Packerl am nächsten Tag haben, da muss man auch erlauben, dass Projekte entstehen.

STANDARD: Welche Trends gibt es im Retail-Segment?

Stadlinger: Bei Fachmarktzentren ist ein Trend, sie mit Wohnungen zu überbauen und damit die schon versiegelte Fläche besser auszunutzen. Da gibt es moderne Konzepte auch mit Lade oder Paketabholstationen etc. Das geht in Richtung Nachbarschaftszentrum, damit können Fachmarktzentren weiterhin gut wirtschaften. Ich habe Retail generell nie so schwarz gesehen, auch während Corona nicht. Die Leute wollen jetzt wieder in die Innenstädte, Shopping erleben. B-Lagen, die für Händler nicht mehr so attraktiv sind, werden von Storage-Konzepten genutzt oder für medizinische Angebote. Lebendige Erdgeschoße sind wichtig.

STANDARD: Ist die Gastronomie auch weiterhin auf dem Vormarsch?

Stadlinger: Ja, aber schauen wir einmal, wie viele Konzepte da aufgehen werden. Die Nachfrage nach Flächen ist weiterhin extrem hoch, aber das Problem ist hier die Personalsituation. Das ist das Nadelöhr. (Interview: Martin Putschögl, 13.3.2023)