ORF-Satiriker Peter Klien geht dorthin, wo es diesmal wirklich wehtut: Ein FPÖ-Security nahm den Late-Night-Comedian in den Schwitzkasten und zerrte ihn von FPÖ-Parteichef Herbert Kickl weg. Die Szene ereignete sich beim Auftritt des freiheitlichen Parteichefs bei einem "Oktoberfest" im steirischen Hartberg und soll diesen Freitagabend in "Gute Nacht Österreich" in ORF 1 (23.25 Uhr) gezeigt werden.

"Es handelt sich hierbei um ein völlig inakzeptables Verhalten, das der ORF auf das Schärfste verurteilt", sagte dazu der ORF in einer Aussendung am Freitagvormittag. Der ORF-Redaktionsrat verurteilt Gewalt gegen Journalisten und Journalistinnen, ebenso Medienministerin Susanne Raab, SPÖ-Chef Andreas Babler, Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Reporter ohne Grenzen.

Peter Klien wurde in den Schwitzkasten genommen, zu sehen am Freitag in
Peter Klien wurde in den Schwitzkasten genommen, zu sehen am Freitag in "Gute Nacht Österreich".
Foto: GNÖ

Kopf unter den Arm geklemmt

Klien versuchte nach STANDARD-Infos bei dem "Oktoberfest" mehrfach, wie schon bei früheren Gelegenheiten, FPÖ-Chef Kickl zu einem seiner satirisch-provokanten Interviews zu bewegen. Kickl drängte ihn auch schon selbst mit ausgestrecktem Arm weg, inzwischen geht er gemeinhin ohne Reaktion und abgeschirmt von Security und anderen Mitarbeiterinnen an Klien vorüber.

Als Kickl auf dem Weg durch das Hartberger "Oktoberfest" vor einem Jahrmarktwagen stehen blieb, betrat Klien den Wagen und hielt Kickl das ORF-Mikrofon über den Tresen des Wagens unter die Nase. Klien fragte zu einem seiner Lieblingsthemen, dem Kuss mit Ex-Grünen-Chefin und Klassenkollegin Eva Glawischnig beim Flaschendrehen mit 14. Diesmal so: "Herr Kickl, das möchte ganz Österreich wissen. Wie sie die Frau Glawischnig geküsst haben, war das mit Zunge?"

Der stämmige Security packte Klien, nahm seinen Kopf unter den Arm und zerrte ihn aus dem Wagen. Klien nach dem handgreiflichen Rauswurf: "Na servas, da geht's zua bei eich."

"Verschwind, di wü do kana hobn!"

Einmal wollte es Klien dann noch im Festzelt vor der Selfie-Wand versuchen, Kickl vor das Mikro zu bekommen. Derselbe Security wurde aufmerksam, und der ORF-Satiriker kam nicht weit: Der Mann mit markant tätowiertem Hals drängte Klien mit den Worten "Verschwind, di wü do kana hobn!" aus dem Festzelt.

Hausjell fordert von Kickl Konsequenzen

Update: Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen in Österreich, fordert FPÖ-Chef Kickl via X (vormals Twitter) auf "Konsequenzen zu ziehen". Hausjell: "Eine Demokratie verträgt keine Gewalt".

FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker sieht "eine wehleidige Klien-Inszenierung", die "ins jämmerliche Bild" passe, das der Staatsfunkt abgebe. "Diesem ORF ist wirklich nichts mehr zu peinlich. Herr Klien konnte im Rahmen des FPÖ-Frühschoppens in Hartberg stundenlang seiner Arbeit nachgehen und wurde dabei weder behindert noch sonst irgendwie behelligt", so Hafenecker, "es gibt aber Bereiche, in denen Medien generell nichts verloren haben. Dazu zählen neben der Bühne und dem Backstage-Bereich auch jener FPÖ-Bus, in den sich Herr Klien ohne Genehmigung Zutritt verschaffen wollte." Der Sicherheitsmann habe "seine Arbeit gemacht", so Hafenecker in einer Aussendung.

Maurer: "Pressefreiheit ist heilig"

"Die Kickl-FPÖ zeigt ihr wahres Gesicht. Wer Konflikte nur mit Gewalt lösen will, kann sie gar nicht lösen", kommentiert ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker den Vorfall. "Die Pressefreiheit ist heilig, egal um welche Art von Journalismus es sich handelt", sagt Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer auf X (vormals Twitter). Der Angriff zeige "einmal mehr die Verachtung der Freiheitlichen Partei und Herbert Kickl für demokratische Rechte".

Babler: Mit FPÖ "kein Staat zu machen"

Kritische Worte fand auch SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler: "Gewalt gegen Medienvertreter*innen ist absolut inakzeptabel! FPÖ-Chef Kickl muss die richtigen Konsequenzen ziehen." Diese Attacke zeige einmal mehr: "Mit dieser FPÖ und diesem 'Volkskanzler' ist kein Staat zu machen." Und es zeige auch, was die FPÖ von Medien und ihren Vertreter*innen und von demokratischen Grundwerten wie Pressefreiheit bzw. der freien Meinungsäußerung hält. Journalist*innen einzuschüchtern, mit dem Ziel, Kritik zu unterbinden, habe bei der FPÖ System, so Babler in einer Aussendung.

Raab: Kickl eine "Gefahr für Österreich"

Zu Wort meldete sich auch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP). "Übergriffe auf Medienvertreterinnen und Medienvertreter sind völlig inakzeptabel. Wer Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten ausübt, gefährdet unsere Demokratie und freie Gesellschaft. Journalistinnen und Journalisten müssen ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können, auch wenn es sich um Satire handelt. Herbert Kickl zeigt einmal mehr, dass er unsere Pressefreiheit mit Füßen tritt und eine Gefahr für Österreich darstellt", so Raab in einer Medienmitteilung.

"Das ist inakzeptabel", erklärte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. "Kabarett und Satire mögen feine Klingen sein, feindliche Angriffe aber sind sie nicht. Das müssen gerade auch die, die gerne austeilen, einstecken können", so die Neos-Politikerin.

Auf Twitter fragte Peter Klien, ob das schon als "Kuschelkurs mit der Partei" gelte.

ORF-Redaktionsrat sieht rote Linie überschritten

Der ORF-Redaktionsrat sieht eine Grenzüberschreitung, mit der die Freiheitlichen "neuerlich eine rote Linie im Umgang mit der freien Presse überschritten" hätten: "Dass sich in der FPÖ niemand findet, sich bei Peter Klien zu entschuldigen, sondern er nachträglich auch noch verhöhnt wird, ist ein Beispiel dafür, wie tief das politische Niveau in Österreich gesunken ist." Und: "Verbale und jetzt auch körperliche Gewalt verübt an Journalistinnen und Journalisten bringt uns in Richtung einer 'illiberalen Demokratie'."

"Wie weit wird die FPÖ und ihre Anhänger noch gehen?", fragt sich die Redaktionsvertretung. Sie verweist auf einen führender FPÖ-Politiker, der mit einem Foto von Armin Wolf im "ZiB 2"-Studio fragt: "Manipuliert der ORF die Wahlen?". Damit werde "das gesamte demokratische System in Zweifel gezogen" - auch wenn Hochrechnungen nach Wahlschluss keinen Einfluss auf ein Wahlergebnis haben könnten: "Es werden Zweifel an der Legitimität von Wahlergebnissen gesät."

Das Ziel hinter dieser Strategie im Umgang mit kritischem Journalismus sei, unabhängige Medien als "Mainstream-Medien" mit angeblich linker Agenda zu framen: "Das soll die Glaubwürdigkeit untergraben und Menschen zum Konsum von Parteikanälen und 'alternativen Medien' bringen. Dort können Parteipolitiker dann ohne kritische Gegenfragen ungefilterte Propaganda verbreiten."

(fid, red, 6.10.2023)