GeisteswissenschafterInnen - die perfekten KandidatInnen für die Millionenshow?

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"Suchen ExpertIn für Globalgeschichte mit Schwerpunkt Lateinamerika" – Schon einmal auf so ein Jobinserat gestoßen? Wohl kaum, und das erklärt auch das Problem mit den GeisteswissenschafterInnen: Es braucht sie niemand.

Seit Jahren zeigen Studien den dringenden Bedarf an TechnikerInnen. Die Prognosen für den Arbeitsmarkt scheinen StudienanfängerInnen jedoch nicht davon abzuhalten, Publizistik oder Germanistik zu studieren. Fakt ist: In Österreich gibt es nicht genug Platz für alle AbsolventInnen von Fächern wie Theaterwissenschaft, Ethnologie oder Linguistik. Und wer einen Job findet, wird sich damit wahrscheinlich gerade so über Wasser halten können.

An erster Stelle steht natürlich das Interesse. StudienberaterInnen raten den AnfängerInnen trotzdem, sich auf ein Gebiet zu spezialisieren, und Wahlfächer aus einem "griffigeren" Studium zu wählen – etwa BWL als Ergänzung zu Sinologie. Warum aber nicht gleich den umgekehrten Weg gehen: BWL als Hauptstudium, Sprache als Wahlfach? Denn von der Vorlesung über das "Theater in China seit den 80er Jahren" wird die Sinologie-Absolventin für ihren Job beim Autokonzern in Shanghai wenig mitnehmen können.

Das Problem bei den Geisteswissenschaften ist in erster Linie die Motivation. Kaum jemand wird ohne Überzeugung technische Physik inskribieren. Der Satz "Ich wusste nicht, was ich sonst machen soll", kommt sicher häufiger von angehenden PublizistInnen. Vielleicht sind Geisteswissenschaften einfacher zu studieren als Naturwissenschaften. Dafür sind sie schwerer in der Praxis anwendbar.

Ja, eine Welt ohne die Geschichte Lateinamerikas oder Karl Poppers Wissenschaftstheorie wäre undenkbar. Geisteswissenschaften haben deshalb sehr wohl ihre Berechtigung. Dennoch kann der Großteil von uns das Wissen eher in der Millionenshow als im Berufsleben anwenden – und wenn, dann nur an den Universitäten. Nichts spricht gegen ein paar nette Wahlfächer aus Philosophie oder Numismatik. Wer nur seine Studienzeit, und nicht den Rest seines Lebens an der Uni verbringen möchte, sollte sich seiner begrenzten Perspektiven schon vor der Wahl eines geisteswissenschaftlichen Studiums bewusst sein. (Elisabeth Oberndorfer/derStandard.at, 2. Oktober 2007)