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Türkis-Blau beschließt "Gewaltschutzpaket" trotz scharfer Kritik von Vizekanzler Jabloner

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Die Heraufsetzung der Mindeststrafen in der Jugendgerichtsbarkeit sei ein "zivilisatorischer Rückschritt", erklärte Jabloner in seiner Rede


Die letzte Plenarsitzung vor der Nationalratswahl stand ganz im Zeichen ebendieser. Letzte inhaltliche Schwerpunkte der wahlwerbenden Parteien wurden aufs Tapet gebracht, auch verbleibende türkis-blaue Initiativen standen zur Abstimmung.

Gestartet wurde um 9 Uhr früh mit einer aktuellen Stunde der SPÖ zum Thema Wohnen. "Die Menschen geben oft fast die Hälfte des gesamten Familieneinkommens für das Wohnen aus, und es bleibt kaum Geld fürs tägliche Leben. Das halbe Einkommen für ein Dach über dem Kopf – das ist inakzeptabel, denn Wohnen darf kein Luxus sein!" Mit diesen Worten leitete SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner die Debatte ein. Sie forderte eine Abschaffung der "Mietensteuer". ÖVP und FPÖ, aber auch die Neos kritisierten den Vorschlag der Sozialdemokraten. Am Ende würde die Abschaffung auf eine Teuerung der Mieten hinauslaufen.

Verfassungsmehrheit für Schuldenbremse

Am frühen Nachmittag wurde über eine Verankerung der Schuldenbremse im Verfassungsrang debattiert und diese dann auch beschlossen. Als einfaches Gesetz gibt es in Österreich bereits eine Schuldenbremse. Durch eine Initiative von ÖVP, FPÖ und Neos soll sie künftig sogar im Verfassungsrang stehen. Dafür müsste sie allerdings nach dem Nationalrat auch noch den Bundesrat passieren, was angesichts des rot-grünen Sperrdrittels praktisch ausgeschlossen ist. Die Befürworter wollen jedenfalls dafür sorgen, dass der Staat über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen bilanziert. Konkret soll das jährliche Defizit des Bundes – im Einklang mit den Vorgaben der EU – 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten dürfen. Das Defizit von Ländern und Gemeinden soll sogar bei 0,1 Prozent gedeckelt werden. SPÖ und Liste Jetzt warfen den Befürwortern im Plenum ökonomische Ahnungslosigkeit vor. Die Schuldenbremse sei in Wahrheit eine Wachstums- und Investitionsbremse, monierte etwa Jörg Leichtfried (SPÖ).

"Gewaltschutzpaket" und Ökostrom

Am Abend wurde mit den Stimmen der nunmehr getrennten Partner ÖVP und FPÖ ein altes türkis-blaues Regierungsprojekt beschlossen, das im Vorfeld bei vielen betroffenen Berufsgruppen für Kritik gesorgt hatte. Enthalten sind Strafverschärfungen bei Sexualdelikten sowie eine Anzeigepflicht für medizinisches Personal, wenn dieses einen Verdacht auf einen Vergewaltigungsvorfall hegt. Aufsehenerregend war insbesondere die Wortmeldung von Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, der ÖVP und FPÖ gehörig die Leviten las. Jabloner kritisierte, dass die Expertise von Justizexperten und betroffenen Organisationen einfach vom Tisch gewischt worden sei. Die Heraufsetzung der Mindeststrafen in der Jugendgerichtsbarkeit bezeichnete er gar als "zivilisatorischen Rückschritt", mit dem den Richtern auch der erforderliche Entscheidungsspielraum genommen werde.

Neben einem Initiativantrag zum Verbot von Ölkesselanlagen haben zwei Anträge zur Novellierung des Ökostromgesetzes gute Chancen auf einen Beschluss. Die SPÖ will den Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit durchbringen. Zustimmung gibt es von ÖVP und FPÖ. Abgestimmt wird außerdem über mehrere Entschließungsanträge – darunter einen Neos-Vorstoß zum Informationsfreiheitsgesetz. (red, 25.9.2019)