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Liveticker-Nachlese zur Befragung von Zadić über Chats, Leaks und Interventionen

Liveticker

Die Lieferung von Handynachrichten an den U-Ausschuss erfolge im Einklang mit dem Auftrag des VfGH. Debatte um Kurz-Tonmitschnitte und ein justizinternes Konvolut gegen die WKStA


Der Ibiza-Untersuchungsausschuss steuert auf sein Ende zu. Am Mittwoch und Donnerstag finden die letzten Befragungen statt, sieht man von einem Ersatztag im Juli (15.7.) ab. Prominenz ist angesagt: Am Mittwoch wurde auf Ladung der ÖVP Justizministerin Alma Zadić (Grüne) befragt, am Donnerstag soll dann Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum zweiten Mal den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.

Rechtliches Neuland bei Chatlieferungen

Zadić ging gleich zu Beginn auf die von der ÖVP immer wieder ventilierten Vorwürfe ein, dass die Justiz zu viele beziehungsweise belanglose Chatnachrichten an den U-Ausschuss liefere. Die Ministerin betonte dagegen: Die Justiz handle im Einklang mit der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), wonach alle Unterlagen dem U-Ausschuss vorzulegen sind, die der Klärung der politischen Verantwortung dienlich seien könnten. Das sei zwar rechtliches Neuland für das Justizministerium, die Staatsanwaltschaften folgten aber schlicht dem Auftrag des VfGH – und das mit großem Einsatz, sagte Zadić.

Man liefere die Chats in der Reihenfolge, in der der U-Ausschuss das fordert. Daher werte man zuerst die abertausenden Nachrichten von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid aus, bevor etwa Ex-Vizekanzler Strache dran sei.

Wohl in Richtung des türkisen Koalitionspartners forderte die Ministerin, pauschale Angriffe auf die Justiz ebenso einzustellen wie Einschüchterungsversuche gegen einzelne Staatsanwälte.

Politische Einflussnahme auf Ermittlungen gab es nach Zadićs Auffassung nicht. Verschiedenen Verdachtsmomenten innerhalb der Justiz sei sie stets nachgegangen, etwa ausufernden Berichtsaufträgen der Oberstaatsanwaltschaft Wien an die WKStA, die "teilweise schikanös waren". Strukturelle Befangenheit habe sie aber nicht ausmachen können. Sie habe als Reaktion die Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften an die Oberbehörden reduziert.

Für Debatten sorgte das Publikwerden (via "Zackzack") von Tonbandmitschnitten der letzten Befragung von Kanzler Kurz im U-Ausschuss. Kurz wird ja von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschuldigt, bei seiner Befragung im Juni 2020 den Abgeordneten eine Falschaussage zu seiner Involvierung in die Kür von Thomas Schmid zum Öbag-Vorstand geliefert zu haben. Für die genauere Klärung der damaligen Aussagen vor einer etwaigen Anklage – es gilt die Unschuldsvermutung – hat die WKStA vom Parlament die Mitschnitte angefordert. U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) meinte, die Bänder seien sicher nicht von der Parlamentsdirektion an Medien geleakt worden. Wer aller – womöglich per Akteneinsicht – Zugriff auf die Tondateien hatte, ließ sich vorerst nicht klären.Generell, so Zadić, sei ihr kein bestätigter Verdacht bekannt, wonach die WKStA geheime Dokumente herausspiele.

Die ÖVP thematisierte noch einen weiteren Medienbericht vom Mittwoch: Wie der "Kurier" schrieb, habe Johann Fuchs, der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, ein 103-seitiges Konvolut über dienstrechtliche "Verfehlungen" der WKStA angelegt. Zadić sagte, sie kenne das Papier nicht im Detail, es sei aber ans Ministerium herangetragen worden. Wieso das Konvolut bisher noch nicht an den U-Ausschuss geliefert wurde, könne sie nicht sagen. Disziplinarrechtlich scheine ihr das Papier keinen Anlass für ein Vorgehen ihrerseits zu bieten.

Hanger: Zadić letztverantwortlich

Vor Zadićs Aussage am frühen Nachmittag gaben die Fraktionsführer in ihren Eingangsstatements bekannt, wie sie die Befragung anzulegen planten. ÖVP-Mandatar Andreas Hanger sagte, dass die Ministerin für die Chatlieferungen an den U-Ausschuss letztverantwortlich sei. Er wolle sie daher fragen, was sie für den Schutz der Persönlichkeitsrechte der in den Chats vorkommenden Personen getan habe. Zudem will Hanger die Ministerin belehren, dass Staatsanwälte nicht unabhängig seien, weil sie ja Weisungen unterlägen: "Diesen Begriff der Unabhängigkeit müssen wir schon ins rechte Licht rücken." Hanger will Zadić auch darauf ansprechen, dass sie als Liste-Pilz-Abgeordnete im Rahmen des einstigen BVT-U-Ausschusses selbst die WKStA heftig kritisiert habe.

Tonbänder und System Pilnacek

Die FPÖ will unter anderem der Frage nachgehen, wie Tonbandmitschnitte der letzten Befragung von Kanzler Kurz im U-Ausschuss an die Öffentlichkeit gelangen konnten, wie dies am Mittwoch via "Zackzack" geschah. Es sei unklar, wie die Tonbänder nach außen gedrungen sein konnten. Wie auch Hanger wundert sich der FPÖ-Mandatar Christian Ries, dass ein 103-seitiges Papier, das von den Oberbehörden über "Verfehlungen" der WKStA angelegt worden sein soll, noch nicht dem U-Ausschuss geliefert wurde, wiewohl der "Kurier" bereits darüber berichtet. Im Laufe der Sitzung sagte die Grün-Abgeordnete Nina Tomaselli jedoch, das Konvolut sei am Mittwoch schon im Ausschuss eingetrudelt.

Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper nannte es eingangs "interessant", dass die ÖVP den suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek entgegen diesbezüglicher Ankündigungen doch nicht geladen hat. Sie wolle Zadić aber fragen, inwiefern das "System Pilnacek" in der Justiz immer noch Macht ausübe, etwa in Gestalt von Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Krisper möchte außerdem ergründen, was genau unter Zadićs am Dienstag verkündetem Vorhaben zu verstehen ist, die Berichtspflichten zu reduzieren.

Krisper und ihr SPÖ-Pendant Jan Krainer kritisierten auch den Zeugenschwund im U-Ausschuss. Zahlreiche Auskunfspersonen haben ja abgesagt, Krainer führt das auch auf öffentliche Aussagen von Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer zurück, die voreilig gesagt habe, dass der U-Ausschuss nicht verlängert werde. Deshalb hätten sich Auskunftspersonen für den absehbaren Endspurt Ausreden ausgedacht, um sich der Befragung zu entziehen.

Schmid kommt nicht

Tatsächlich haben außer Zadić und Kurz alle anderen Auskunftspersonen, die für diese Woche geladen waren, abgesagt. Am Donnerstag hätte eigentlich Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid den Anfang machen sollen, weil er eine Woche zuvor nicht zu seiner Befragung erschienen ist. Er wird aber auch jetzt nicht kommen, er ist im Ausland und wird erst am 20. Juli wieder im Lande sein, wie es heißt. Und somit mit einem gewissen zeitlichen Respektabstand zum 15. Juli, an dem theoretisch noch Auskunftspersonen befragt werden könnten.

Die ÖVP hatte ein weiteres Mal auf den ehemaligen Casinos-Manager und SPÖ-Politiker Dietmar Hoscher gehofft, der bereits mehrmals aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hat. Das hat er auch diesmal getan, er wird daher nicht kommen.

Also geht es am Donnerstag erst um 12.30 Uhr los, für diesen Termin ist Kurz geladen. Er war bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 2020, Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss. Damals hatte er wortreich die Regierungszusammenarbeit unter Türkis-Blau erklärt. Viel mehr war aus der Befragung nicht herauszuholen – außer einer Anzeige wegen Falschaussage, der tatsächlich Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit dem Kanzler als Beschuldigtem folgten. Konkret geht es um Aussagen zur Bestellung von Schmid zum Öbag-Chef, es gilt die Unschuldsvermutung.

Abgebrannt und abgesagt

Der Kanzler hätte am Donnerstag die Staffel direkt an seinen damaligen Vize Heinz-Christian Strache (damals FPÖ) übergeben können – wäre da nicht Feuer auf der Yacht ausgebrochen, auf der Strache und seine Kinder urlaubend unterwegs waren. Strache war für Donnerstagnachmittag geladen, sagte aber wegen des Zwischenfalls in Kroatien ab. Zwar ist er laut Abgeordneten schon wieder in Wien, er müsse sich aber auf seinen Prozess vorbereiten, habe er seine Absage begründet. Die Gerichtsverhandlung beginnt am kommenden Dienstag am Straflandesgericht Wien und stellt eine erste Konsequenz der Causa Ibiza-Video dar. Im Prozess geht es um vermuteten Gesetzeskauf ("Prikraf") im Zusammenhang mit der Privatklinik Wien-Währing.

DER STANDARD wird am Donnerstag live ab 12 Uhr über die Befragung des Kanzlers tickern. (ta, gra, APA, 30.6.2021)