"Sie war mein Vorbild" oder "Ich war ein bisschen der Trottel": Mit Sätzen wie diesen beschrieb die Kronzeugin in der Causa Karmasin, Sabine Beinschab, vor dem Straflandesgericht Wien ihre (Arbeits-)Beziehung zu ihrer einstigen Chefin, der Meinungsforscherin und Ex-Familienministerin Sophie Karmasin. In dem Strafprozess wurden Karmasin schwerer Betrug und illegale Absprachen bei Studien für das Sportministerium vorgeworfen.

Laut Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte sich Karmasin eine Entgeltfortzahlung erschlichen, indem sie dem zuständigen Beamten im Kanzleramt verschwieg, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik sofort wieder als Selbstständige weitergearbeitet habe. Es ging um 80.000 Euro. In diesem Punkt wurde Karmasin freigesprochen, weil sie tätige Reue gezeigt und das Geld zurückgezahlt habe.

Bei den Studien soll sie bei Beinschab und einer dritten Meinungsforscherin Scheinangebote eingeholt und beiden entsprechende Vorgaben gegeben haben, auf dass sie die Aufträge bekomme. Karmasin und der zweite Angeklagte, ein Beamter aus dem Sportministerium, bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. Hier setzte es für Karmasin erstinstanzlich eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die auf drei Jahre bedingt ist. Der Zweitangeklagte wurde freigesprochen.

Tätige Reue?

Karmasin argumentiert unter anderem, dass sie die Entgeltfortzahlungen in zwei Tranchen zurückbezahlt und somit tätige Reue geübt habe, die strafbefreiend wirkt. Die WKStA ist allerdings der Rechtsansicht, dass die Rückzahlung weder freiwillig noch rechtzeitig erfolgt sei und Karmasin damit, flapsig ausgedrückt, nichts nütze, sie nicht vor einer etwaigen Verurteilung schützen könne. Kronzeugin Beinschab, die vor den Ermittlern rund 70 Stunden ausgesagt hatte, hat Karmasin auch im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien schwer belastet.

Die Strafdrohung bei schwerem Betrug und wettbewerbseinschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren liegt jeweils bei bis zu drei Jahren. Die frühere Politikerin saß im März vorigen Jahres 26 Tage lang in Untersuchungshaft.

"Sie können ruhig mein Handy haben"

Der Verhandlungstag begann mit einer erneuten Befragung des Zweitangeklagten, eines Beamten aus dem Sportministerium. Er erklärte, dass er Karmasin gefragt habe, wer außer ihr noch Angebote stellen könne. Man habe Vergleichsangebote gebraucht. Da habe es jedoch eine kurze Frist von zwei Tagen gegeben, meinte der Staatsanwalt – warum? Das sei ein Fehler gewesen, räumte der Zweitangeklagte ein. Dass die zwei Meinungsforscherinnen, also Beinschab und eine weitere, so schnell Angebote legen konnten, darüber habe man sich "nicht den Kopf zerbrochen".

Karmasins Anwalt Norbert Wess wollte von dem mittlerweile suspendierten Beamten wissen, warum im elektronischen Akt zu den Angeboten nur wenige Daten vorhanden seien. Dafür gebe es keine fixen Regeln, man sei der Büroordnung des Kanzleramts "nicht buchstabentreu gefolgt". Er habe aber jedenfalls "keine Präferenz" für Karmasin gehabt und auch nicht gewusst, dass sein Sektionschef Vorgespräche mit Karmasin geführt habe. "Sie können ruhig mein Handy haben", bot der Zweitangeklagte dem Staatsanwalt an.

Nach einer kurzen Pause nahm dann noch einmal Sophie Karmasin in der Mitte Platz, um Nachfragen des Staatsanwalts zu Geldflüssen an Beinschab zu beantworten. Da blieb Karmasin dabei, dass Beinschab die Provisionen rasch überweisen haben wollte. Danach verlas der Richter Teile des Ermittlungsaktes, das gehört zum Beweisverfahren und ist wichtig, weil nur jene Inhalte ins Urteil einfließen können, die in der Verhandlung Thema waren.

WKStA forderte Haftstrafe

Um kurz nach 13.30 Uhr begannen dann die Schlussplädoyers. Der Staatsanwalt der WKStA sprach von einem "eindeutigen Bild", das sich ergeben habe. Karmasin habe schon während ihrer Tätigkeit als Ministerin "konsequent gegen das Gesetz verstoßen", weil sie von Beinschab Provisionen verlangt und erhalten und das nicht gemeldet habe. Die angemessene Strafe sei eine teilbedingte Freiheitsstrafe, also Haft für Karmasin, so der Staatsanwalt. Der Zweitangeklagte solle hingegen eine Kombination aus Geld- und bedingter Freiheitsstrafe erhalten.

Ganz anders sah das naturgemäß Karmasins Anwalt Wess: Seiner Mandantin sei "kein strafrechtlicher Vorwurf" zu machen; er sei "noch nie so gespannt" gewesen auf die rechtliche Einordnung. Es habe kein Vergabeverfahren gegeben, daher könne es auch keinen Verstoß gegen ein Strafgesetz geben. Der elektronische Akt (Elak) zu den Verfahren sei jedenfalls "der komplette Wahnsinn", so Wess.

Thomas Krankl, Anwalt des Zweitangeklagten, argumentierte, dass die Ministeriumsspitze "Karmasin wollte". Dass sein Mandant, ein Beamter in der Mitte der Weisungskette, hier sitze, sei unfair, so der Verteidiger sinngemäß. Beide Anwälte plädierten für Freisprüche für ihre Mandanten.

Karmasin gab selbst an, sie sei "verzweifelt" gewesen nach ihrem Ausscheiden aus der Politik, es habe sich um eine Ausnahmesituation gehandelt. Sie habe jedenfalls nicht die Absicht gehabt, die Republik zu schädigen. "Ich bin kein Opfer, ich habe Fehler gemacht", sagte die Ex-Ministerin. Sie hätte sich nicht vom Sportministerium einspannen lassen sollen, Vergleichsangebote einzuholen, so Karmasin – zu Schaden gekommen sei aber auch da niemand.

Ermittlungen in Inseratencausa

Gegen sie laufen weitere Ermittlungen in der sogenannten Causa Beinschab – die drehen sich um Studien und Inserate rund um das "Beinschab-Tool" und um parteipolitische Umfragen auf Steuerzahlerkosten, die unter anderem in "Österreich" erschienen sein sollen. Auch diese Vorwürfe bestreitet Karmasin.

DER STANDARD berichtete live ab 9.30 Uhr. (red, 23.5.2023)

Nachlese Liveticker vom letzten Verhandlungstag