Hochspannung und großes Gedränge herrschten am Montag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Für den fünften Verhandlungstag hat der Richter den wohl prominentesten Zeugen des Verfahrens geladen, den früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Er hat den wegen des Vorwurfs der Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss angeklagten Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Ermittlungsverfahren schwer belastet. Schmid, der heute in den Niederlanden lebt, will bekanntermaßen Kronzeuge in der Causa rund um türkise Umfragen bzw. Inserate werden, sollte die zur Anklage kommen.

Schmid über Öbag und seine Karriere

Schmid wird zu verschiedenen Themen befragt werden, los ging es zunächst mit der Staatsholding Öbag. Als Generalsekretär im Finanzministerium sei Schmid damals Teil einer Arbeitsgruppe gewesen, um die damalige Öbib zu reformieren. Die sei "schwach" gewesen, weil sie etwa keine eigenen Aufsichtsratsmitglieder in Tochtergesellschaften habe schicken können. Kurz habe gemeint, Schmid möge sich das einmal anschauen.

Er habe früh begonnen, mit Arnold Schiefer über die Staatsholdingsreform zu verhandeln. Dass Personalentscheidungen ohne Kurz' Wissen getroffen werden, sei "denkunmöglich" gewesen, sagte Schmid. Kurz habe ein "Vetorecht" gehabt – und Kurz habe ihn, Schmid, in der Öbag sehen wollen, da er damals ein "enger Vertrauter" des Kanzlers gewesen sei. Ein etwaiger Job bei René Benkos Signa sei ein "Plan B" gewesen – da läuft ja ein Ermittlungsverfahren, ob Benko Schmid mit der Aussicht auf einen Job bestochen haben soll.

Den Sideletter zwischen ÖVP und FPÖ habe er persönlich nicht gesehen, die berüchtigte "Schiefer-Schmid"-Vereinbarung allerdings geschrieben. Da sei es um eine Aufteilung Zwei-Drittel-zu-ein-Drittel gegangen. Dieser Einigungsentwurf habe für "Pallawatsch" gesorgt, Schmid sei ins Kanzleramt zitiert worden.

Eigentlich habe Kurz ja für Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef der Öbag plädiert, doch die Russland-Sanktionen gegen Oleg Deripaska, einen Geschäftspartner Wolfs, hätten da für Irritationen sorgen können. Außerdem habe Wolf keinen Neustart signalisiert, weil er bereits bei der Öbag-Vorvorgängerin Öiag Aufsichtsratschef gewesen sei. Daher habe man einen Übergangskandidaten nehmen wollen, sagte Schmid.

Kurz "ein guter Chef"

Summa summarum: Das Kanzleramt habe mitgeredet. Es sei "ganz klar ein System" gewesen, bei dem "Personalentscheidungen sehr engmaschig abgestimmt worden" seien. Kurz sei aber ein guter Chef gewesen, er habe viel gelobt, Schmid aber auch schon mal den Kopf gewaschen, erzählte der einstige Öbag-Chef. Die Chatnachricht, er kriege "eh alles, was du willst", habe dazu aber nicht gezählt – das habe er positiv und unterstützend empfunden, so Schmid.

Im Jänner 2019 habe dann die Zeit gedrängt, weil die Öbag noch immer keinen Aufsichtsratschef in Aussicht hatte. Das Kanzleramt habe Leute wollen, die auf Linie gewesen seien, sagte Schmid aus. Deshalb habe er auch mit Hinweisen auf Raiffeisen und ein Netzwerk in Niederösterreich für eine Kandidatin geworben.

Am späten Nachmittag übernahm dann ungewöhnlicherweise die Verteidigung noch vor der WKStA die Befragung des Zeugen – das hatten die Verteidiger Otto Dietrich und Werner Suppan so beantragt. Sie fragten Schmid, ob er sich bei der Einvernahme durch die Ermittler "unter Druck gesetzt" gefühlt habe – was Schmid verneinte; und ob er Angst gehabt habe, abgehört zu werden.

Danach legte Dietrich eidesstattliche Erklärungen von zwei Managern vor, bei denen sich Schmid im Sommer 2023 beworben haben soll. Ihnen gegenüber habe Schmid angegeben, von der WKStA "unter Druck" gesetzt worden zu sein; er tätige sinngemäß Aussagen, die "außerhalb seiner Wahrnehmung" lägen. Schmid habe gesagt, die Staatsanwälte "glücklich" machen zu wollen. Für den Richter sei das nicht relevant, er lässt keine Fragen dazu zu.

Ein weiterer Vorwurf der Verteidigung; Die WKStA habe Schmid dessen Einvernahme gewissermaßen diktiert - auch das bestritt Schmid. Die Verhandlung zog sich danach deutlich, immer wieder ging es um Details wie den verhinderten Öbag-Aufsichtsratscheg W. oder um Siegfried Wolf.

"Kriegst eh alles, was du willst"

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Kurz und seinem ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli vor, sie hätten ihre Rolle bei der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand der Öbag im U-Ausschuss kleingeredet. Beide Angeklagten bestreiten das, es gilt die Unschuldsvermutung. Der erste Chef der staatlichen Beteiligungsholding Öbag war damals dann ja Thomas Schmid geworden, dessen Traumjob die Leitungsfunktion gewesen war und der sich auch in alle Vorbereitungen maßgeblich involviert hatte.

Die WKStA bezieht sich bei ihren Vorwürfen vor allem auf verschiedene Chatnachrichten (Stichwort "Kriegst eh alles, was du willst"), die Kurz aber anders auslegt als die Staatsanwälte. "Wenn der Thomas Schmid damals mit mir über die Bestellung gesprochen hat, dann kann ich Ihnen versichern, es war für ihn wichtiger als für mich", sagte der Ex-Kanzler im Strafverfahren vor Gericht etwa aus. Zudem hat Kurz' Verteidigung auf Chats verwiesen, die quasi belegen sollen, dass Schmid eine Art doppeltes Spiel gespielt habe. Bei ihren Fragen an den Zeugen wird es wohl um dessen Glaubwürdigkeit gehen.

Am ersten Verhandlungstag war das Verfahren gegen die frühere Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner ausgeschieden worden, sie darf auf eine Diversion hoffen. Danach waren Kurz und Bonelli befragt worden. Erster Zeuge war der FPÖ-Verhandler und frühere ÖBB-Manager Arnold Schiefer, dessen Aussage aber wenige Erkenntnisse gebracht hat.

Für Dezember sind noch zwei weitere Verhandlungstermine anberaumt. Am 15. Dezember geht es mit Schmid weiter, am 18. Dezember kommt Ex-Finanzminister Hartwig Löger. Sein Nachfolger Gernot Blümel soll dann am 10.1.2024 befragt werden.

DER STANDARD berichtete live ab 9.30 Uhr. (gra, fsc, 11.12.2023)

Befragung von Schmid wird am Freitag fortgesetzt