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Richter stimmt Ladung weiterer Zeugen zu

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Am Montag befragen Richter, WKStA und Verteidiger Ex-Minister Hartwig Löger, in dessen Ära der Umbau der Staatsholding und Bestellungen in die Öbag erfolgten


Am Montag sagt Hartwig Löger als Zeuge aus: Derzeit wird er vom Richter befragt, dann folgen die Vertreter der WKStA und die Verteidiger der Angeklagten, also von Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli.

  • Die entscheidende Frage heute ist, wie Löger den Einfluss von Kurz und dessen Team auf Personalentscheidungen rund um die Staatsholding Öbag darstellt. 
  • Bislang stellte Löger den Einfluss deutlich geringer dar als das vor ihm der Belastungszeuge Thomas Schmid tat: Löger verspürte "keinen Druck". 
  • Der Ex-Finanzminister gab an, Kurz habe sich sehr deutlich den Unternehmer Siegfried Wolf als Öbag-Chef gewünscht, was er abgelehnt habe.
  • Tendenziell dürfte die bisherige Aussage von Löger der Verteidigung nutzen.
  • Bezüglich einer Unterlage und der Frage, ob er die gesehen habe oder nicht, sah sich Löger in einem "Erinnerungsdilemma" 

So hat sich Hartwig Löger das sicher nicht vorgestellt, als er auf den Tag genau vor sechs Jahren sein Amt als Finanzminister in der Koalitionsregierung Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) angetreten hat. Seit 9.30 Uhr steht der heute 58-Jährige als Zeuge vor Gericht und steht zu seiner Zeit als Minister Rede und Antwort.

Im Strafprozess gegen Kurz und seinen damaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli geht es um den Vorwurf der Falschaussage, der Ex-Kanzler und Bonelli sollen vor dem Ibiza-U-Ausschuss ihre Rolle rund um die Personalbestellungen in der Staatsholding Öbag (früher: Öbib) heruntergespielt haben. Beide bestreiten das, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Als Thomas Schmid Öbag-Chef wurde

Die Staatsholding ressortiert zum Finanzministerium; unter Löger wurde sie per Öbag-Gesetz neu aufgestellt, und der Generalsekretär im Ministerium, Thomas Schmid, wurde alleiniger Chef der Öbag, ganz so, wie er sich das gewünscht hatte. Heute ist Schmid Hauptbelastungszeuge im Kurz-Prozess und will in den übrigen anhängigen Verfahren zum Casinos-Komplex Kronzeuge werden. Löger war ab Jänner 2018 im Nominierungskomitee der Staatsholding Öbib gesessen, dieses Gremium entschied, wer in die Aufsichtsräte der Beteiligungstöchter entsendet wird. Im Oktober 2018 hatte er seine Pläne für die "Öbib neu" präsentiert.

Schmid hat seine Zeugenaussage am Freitag hinter sich gebracht; er ist bei seiner Linie geblieben und hat mitunter auch Darstellungen Lögers im Ermittlungsverfahren widersprochen. Versicherungsexperte Löger war im Mai und Juni 2019, nach Türkis-Blau, sechs Tage Bundeskanzler gewesen. Heute ist er Vorstandschef der Vienna International Group (VIG).

Was das Gericht von Löger wissen will

Kurz hat im U-Ausschuss stets darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsmacht über die Nominierung von Öbag-Aufsichtsratsmitgliedern bei Löger lag, was formell richtig ist. Doch Schmid sprach vergangene Woche davon, dass es eine "zentralisierte Personalverwaltung" im Kanzleramt gegeben habe und Kurz ein Vetorecht bei solchen Personalentscheidungen gehabt habe. Kurzum: Ohne ein "Go" aus dem Kanzleramt sei nichts gegangen.

Ein frappantes Beispiel dafür sei die geplante Bestellung von Wirtschaftsprüfer W. als Öbag-Aufsichtsratschef gewesen. Den habe das Finanzministerium selbstständig ausgesucht, am Weg Richtung Öbag musste der Mann umdrehen, weil das Kanzleramt ihn nicht wollte, erzählte Schmid sinngemäß. Dafür kam vom Ballhausplatz dann die Empfehlung von Helmut Kern, der tatsächlich Aufsichtsratsvorsitzender in der Öbag wurde.

Schmid kritisierte außerdem sinngemäß, dass Löger - dessen Kabinettschef er war - den Einfluss von Kurz auf Personalentscheidungen in seinen bisherigen Einvernahmen quasi heruntergespielt habe. In der Anklage schrieben Vertreter der WKStA, manche Zeugen hätten wohl aus Loyalität ausgesagt, damit dürften sie Löger und seinen Nachnachfolger Gernot Blümel gemeint haben.

In seiner Einvernahme durch den Richter gab Löger an, dass sich Kurz "interessiert" habe, er aber keinen Druck verspürt habe. Bei W. habe Löger wahrgenommen, dass es Rückmeldungen aus dem Kanzleramt gegeben habe. Löger könne sich nicht mehr an die Quelle aller Personalempfehlungen erinnern; "Vorschläge seien von mehreren Seiten gekommen", so der Ex-Finanzminister. Es sei immer klar gewesen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bestellen müsse, deshalb habe Schmid sich ohnehin als Öbag-Chef bewerben müssen. Um diese Bewerbung habe es ein hin und her gegeben, so Löger sinngemäß. Seine SMS an Schmid: "Alles Gute - obwohl niemand zweifelt!!!", sei als "Motivatorik" zu verstehen. Schmid habe er so oder so als Kabinettschef austauschen wollen, da sei es um Vertrauen gegangen.

Direkt um Löger geht es in einem Anklagepunkt, der nur Bonelli betrifft: Letzterer soll im U-Ausschuss falsch über seine Involvierung in die Auswahl von Kabinettsmitarbeitern von Löger ausgesagt haben. Die WKStA vermutet anhand von Chats, dass Bonelli und nicht Löger entscheidend bestimmte, wer die Nachfolge von Schmid und anderen Kabinettsmitarbeitern antrat, als diese zur Öbag wechselten. Das stellte Löger auch anders dar; er habe Vertrauen in Schmid verloren, der schon seinen eigenen Nachfolger ausgewählt habe; das habe Löger verhindern wollen.

Löger, der verhinderte Jetpilot

In seiner Einvernahme gab Löger an, er sei quasi "in letzter Sekunde" Finanzminister geworden - aus Chats ist ja bekannt, dass mehrere Kandidatinnen und Kandidaten abgesprungen waren, nicht zuletzt Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner. Löger kam aus der Versicherungsbranche, einst habe er Jetpilot werden wollen. Kurz habe Löger schon lange gekannt, der spätere Kanzler habe als Student ein Lehrlingsprojekt geleitet, bei dem er mit Löger zusammengekommen sei.

Er sei erst nach den Regierungsverhandlungen als Minister vorgeschlagen worden, den Sideletter habe er daher nicht gekannt, aber von einem "Gentlemen's Agreement" rund um die Staatsholding erfahren. Dass Schmid dort, bei der späteren Öbag, etwas werden wollte, habe Löger aus den Medien erfahren; gewusst habe er, dass sich sein Kabinettschef beruflich weiterentwickeln wollte.

Ein Teil der Befragung beschäftigte sich auch mit dem sogenannten Schmid-Schiefer-Deal, bei dem die Aufteilung der Aufsichtsratsmitglieder nach Parteifarben ausgemacht worden war. Löger sprach hier von einem "Erinnerungsdilemma", er habe schon im Frühsommer 2018 eine Unterlage gesehen und die gemeinsam mit Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) unterschrieben. Schmid sagte hingegen, er habe Löger eine Vereinbarung gezeigt, die er in einem Tresor versperrt habe.

Zur "Sideletter-Besichtigung", wie es die WKStA nennt, sei es am 15. Jänner 2019 im Kanzleramt gekommen, da habe Bonelli die Vereinbarung herbeigeschafft; Kurz und Blümel seien ebenfalls dabei gewesen. Ab da sei es in diesen letzten Tagen vor dem Öbag-Start "drunter und drüber" gegangen; es sei ein Zeitdruck entstanden. Warum Löger nicht einfach selbst entschied, wenn er bestimmen konnte, ließ der Exminister offen.

DER STANDARD berichtet live. (gra, fsc, 18.12.2023)