Foto: Wiener Mozart Orchester

Das "Wiener Mozart Orchester" macht den Pauschaltouristen glücklich und auch noch passabel Musik. Ab Mittwoch gastiert das Perückenorchester für zwei Wochen im Konzerthaus.

Wien – Der Mensch reist gerne, immer schon. Odysseus schipperte Ewigkeiten von einer Insel zur anderen, Christus fuhr gen Himmel und Phileas Fogg in 80 Tagen um die Welt. Früher reisten nur wenige, heute gibt es Wohlstand und Freizeit und klimatisierte Reisebusse. Der Massenreisende nährt sich von Pizzaschnitten, Burgern und Klischees. In Paris rennt er auf den Eiffelturm und lässt sich im Louvre von Mona Lisa belächeln. In Rom schmeißt er Münzgeld in den Trevi-Brunnen, trinkt Cappuccino und fühlt sich leicht.

In Wien steht am Plan: Monarchie, Musik und Mehlspeisen. Nancy, Sue, Barbara und Pat zum Beispiel. Die vier Schwestern aus Milwaukee sind vormittags um halb elf in Wien angekommen und haben nichts anbrennen lassen: Lipizzaner, Kaiserappartements, Führung durch die Staatsoper, Schönbrunn und Kaffee mit Sachertorte in gut sechs Stunden. Jetzt sitzen sie im Musikverein, lauschen dem Wiener Mozart Orchester und sind happy. Nancy, die grazile Französischlehrerin, ist "thrilled", Sue, Fachkraft für Zahnhygiene, lobpreist die "fantastic performance". Und überhaupt: Wie schnell die da auf der Bühne spielen könnten, ohne Fehler zu machen!

Der Mann, dem die Damen ihr Glück verdanken, heißt Gerald Grünbacher. 1986 – Grünbacher arbeitete als Klarinettist im Bühnenorchester der Staatsoper – scharte er einige Musiker um sich, bestellte ein Fuder Kostüme, und des Pauschaltouristen Musikseligkeit fand ihren Anfang. Mittlerweile hat das Unternehmen einen beachtlichen Umfang erreicht: Jährlich werden in Wien etwa 80 Konzerte in der Staatsoper, im Musikverein und (ab Mittwoch zwei Wochen lang) im Konzertaus gegeben – jährliche Gesamtbesucherzahl: um die 90.000. Als reine Touristencombo möchte Grünbacher sein Orchester aber nicht sehen: Die ursprüngliche Intention wäre gewesen, nur Mozart zu spielen, und zwar ohne Subventionen. Um dies möglich zu machen, sei die Fokussierung auf ein touristisches Publikum lediglich Mittel zum Zweck gewesen, keinesfalls jedoch Ziel.

Wie auch immer, jedenfalls rennt die Sache ganz gut, und Nancy, Sue & Co bekommen für ihr Geld (Tickets zwischen 32 und 50 Euro) auch Qualitätsvolles geboten. Natürlich darf man sich keine Revolutionen erwarten. Aber das Orchester, das Mitglieder der Symphoniker als Solistengäste hat, musiziert technisch einwandfrei und mit Esprit. Angelehnt an die Musikalischen Akademien der Barockzeit wird ein Best-of-Programm geboten: Opernarien wechseln mit einzelnen Sätzen aus Instrumentalwerken. Was die Stimmung im Konzertsaal anbelangt, so sind die Konzerte der Konzertatmosphäre der Mozartzeit ironischerweise näher als herkömmliche E-Musik-Events.

Die Nonchalance des Publikums (zwischen zwei Sätzen wird geklatscht) schafft eine entspannte Atmosphäre. Es entbehrt auch nicht der Ironie, dass die scheel angesehenen Konzerte der Combo den Kunstgenuss des "seriösen" Musikinteressierten indirekt mitsubventionieren: Ohne die Mietzahlungen (bis zu 12.000 Euro pro Abend) müssten Konzerthaus und Musikverein ihre Abopreise nach oben korrigieren. Ob das denn ein tolles Konzert gewesen sei, fragt Nancy. Aber ja doch, sure, das war schon in Ordnung. (Stefan Ender/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2002)