London/Budapest/Wien - Die Debatte um eine Reform der EU-Agrarpolitik (GAP) darf die Erweiterung der Union nicht verzögern. Dies betonte der britische Außenminister Jack Straw am Dienstag laut Redetext bei einem Vortrag in Budapest. Wie der britische Rundfunksender BBC im Internet berichtet, versicherte Straw, Großbritannien habe "nicht die Absicht", die Frage der Agrarreform mit der Erweiterung zu verbinden. Gleichwohl sprach sich Straw für eine Senkung der GAP-Ausgaben aus. Statt wie bisher die Produktion zu subventionieren solle man in Zukunft die Agrarzahlungen stärker zur Förderung des Umweltschutzes verwenden. Straw räumte laut Redetext ein, es gebe Andeutungen, wonach EU-Mitgliedsstaaten die Diskussionen über die GAP-Reform nützen könnten, um die Erweiterung zu verschieben. Das gelte aber nicht für Großbritannien. "Unsere Besorgnis über die GAP verwässert unsere Unterstützung für die Erweiterung nicht", betonte Straw. Das Bekenntnis Großbritanniens "und der EU" zur Erweiterung sei "standhaft". Die "Wiedervereinigung" Europas werde die "größte Errungenschaft der Generation" sein. "Wenn wir diese Gelegenheit aus unserer Hand gleiten lassen, wäre dies der größte Misserfolg Europas seit dem Zweiten Weltkrieg". Allerdings spiegle die GAP in ihrer derzeitigen Form "nicht mehr die Anforderungen der europäischen Bürger oder die globalen wirtschaftlichen Realitäten" wider. Sie "vereitelt" beständig Bemühungen der EU, den Umweltschutz zu fördern. Indem sie eine "protektionistische Barriere gegen den Rest der Welt" errichte, sei sie auch eine "Bremse für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Dritten Welt". Kommissar Fischer für Kürzungen Die EU-Kommission stellt am Mittwoch ihre Halbzeitbilanz (Mid Term Review) der im Jahr 1999 beschlossenen Agrarreform vor. Agrarkommissär Franz Fischler will in diesem Zusammenhang offenbar eine Kürzung der Direktförderungen um 20 Prozent vorschlagen und die Auszahlung der Subventionen an die Erfüllung von Vorgaben im Bereich des Umwelt- und Tierschutzes sowie der Lebensmittelsicherheit binden. Diese Vorschläge bezeichnete Straw als "nächsten Schritt in einem langfristigen Programm". Die Agrarreform sei nämlich ein "Marathon und nicht ein Sprint". Das Landwirtschaftskapitel gilt in den EU-Erweiterungsverhandlungen mit den zehn Bewerberstaaten, die für einen Beitritt im Jahr 2004 in Frage kommen, als das schwierigste. Die EU konnte sich in dieser Frage bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen und hat die Entscheidung darüber auf die Zeit nach den Bundestagswahlen Ende September in Deutschland vertagt. Deutschland und einige andere EU-Nettozahler fordern nämlich noch vor der Erweiterung eine Reform, weil sie ansonsten einen deutlichen Anstieg ihrer Beitragszahlungen befürchten. Vor allem Frankreich möchte aber am bisherigen System festhalten. Die EU hat den Kandidatenländern in Aussicht gestellt, die Beitrittsverhandlungen bis Ende des Jahres abzuschließen. (APA)