Während Landwirtschaftskommissar Franz Fischler Mittwochnachmittag im Europäischen Parlament seine Vorschläge zur Agrarreform präsentierte, kam es in Brüssel bereits zu ersten Demonstrationen der Bauernverbände gegen die Reformpläne. Mit Trillerpfeifen, Trommeln und Anti-Fischler-Transparenten bewaffnet zogen Funktionäre des spanischen Bauerverbandes ASAJA durch das europäische Viertel. Sie protestierten gegen die geplante Kürzung der Direktzahlungen, die wiederum von den Vertretern anderen Länder als zu wenig weitgehend kritisiert wird.

Womit bereits am Tag der Präsentation absehbar war, dass eine der größten Reformen der EU-Agrarpolitik auch zu einer der am heftigsten umstrittenen wird. Denn während Nettoempfängerländer wie Frankreich und Spanien die Reform als zu radikal betrachten, wird sie in den Nettozahlerländern, allen voran Deutschland, als zu wenig weitgehend empfunden. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich im Wahlkampf gegen das System der Direktzahlungen in seiner derzeitigen Form ausgesprochen und diese Frage mit der Finanzierung der EU-Erweiterung verknüpft. Die deutsche Kommissarin Michaela Schreyer hat zwei Briefe an EU-Kommissionspräsident Romano Prodi gerichtet, in denen sie Bedenken vorträgt.

"Die Bauern sollen nicht mehr für Überproduktion bezahlt werden", formulierte Fischler das Ziel der Reform. Die Reform sei deshalb nötig, damit das System der Landwirtschaftsförderung in der EU weiter konsensfähig bleibe. "Wir können nicht zuschauen und warten", sagte Fischler. Das wäre wohl am allerwenigsten im Interesse der Landwirtschaft.

Laut Fischlers Plan sollen Bauern künftig ihre Förderungen pauschal erhalten statt in Abhängigkeit von bewirtschafteten Flächen und gehaltenen Tieren. Die Förderungen werden davon abhängig gemacht, ob Umweltkriterien bei der Produktion eingehalten werden.

Das künftige Pauschale soll aus den Förderungen der vergangenen drei Jahre berechnet und dann auf die bewirtschaftete Fläche umgelegt werden. Wird ein Teil des Betriebes verkauft oder verpachtet, würde der Anspruch auf die Förderung mit veräußert. Der Bauer wäre frei anzubauen, was er will. Es soll verhindert werden, dass stillgelegte Betriebe Förderungen erhalten. Die Zahlung wird an die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutz sowie Lebensmittelsicherheit gebunden.

Die pauschalierten Zahlungen sollen im Laufe von sieben Jahren um rund 20 Prozent gesenkt werden (drei Prozent pro Jahr), und das Geld soll stattdessen in die ländliche Entwicklung fließen, wobei es zu einer Umverteilung zwischen den EU-Ländern käme. Allerdings bleibt es den Mitgliedsländern überlassen, ob sie das Geld teilweise einbehalten. Pro Betrieb bleiben mindestens 5000 Euro von dieser so genannten "Modulation" ausgenommen, ab dem dritten Mitarbeiter werden pro Person weitere 3000 Euro ausgenommen. Als Förderungsobergrenze gelten 300.000 Euro, wobei der nicht von den Kürzungen betroffene Sockelbetrag dazugerechnet wird, sodass ein Betrieb mit 52 Mitarbeitern maximal eine Förderung von 455.000 Euro erhalten kann. Der Agrarhaushalt soll jährlich um 200 Mio. Euro (unter 0,5 Prozent) entlastet werden. Er macht derzeit rund 45 Mrd. Euro aus. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2002)