Wien - Da helfen keine Abfangjäger und auch keine Militärparaden: Die Geschichten, die es über Soldaten zu erzählen gibt, enden meistens sehr traurig.

Auch dann, wenn diese nicht vom Teufel persönlich geholt werden, wie in Igor Strawinskys Geschichte vom Soldaten, die am Mittwoch im Semper-Depot von Manfred Karge gemäß allen Regeln pointierter Vortragskunst erzählt und vom Merlin Ensemble musikalisch untermalt wurde. Und dies überdies mit aller gebotenen inszenatorischen Diskretion, die Hermann Beil diesem Unterfangen angedeihen ließ.

Immerhin tauscht der in Rede stehende Soldat laut dem Text von Charles Ferdinand Ramuz seine Geige (mit der seine Seele gemeint ist) gegen ein ihm vom Teufel angebotenes Buch. Und dieses Buch hat es in sich: Aus ihm lassen sich die Börsenkurse der nächsten Tage ablesen - und nicht, wie üblich, jene der vergangenen.

So ein Büchlein wäre nicht nur alle Stradivaris dieser Erde wert, möchte man meinen. Und so ein Stoff doch einen ausgiebigen Regieausritt auf die in diesem Fall besonders üppige Weide der Tagesaktualität. Hermann Beil verlässt sich zu Recht auf die Suggestivkraft des Textes und jene von dessen Interpreten.

Und wenn Manfred Karge den Part des Erzählers sprachlich splittet und den Soldaten hochdeutsch und den Teufel mit französischem Akzent parlieren lässt, führt dies doch zu einer statischen Wortdominanz, die dem spielerisch improvisatorischen Charakter des Werkes nicht ganz entspricht.

Immerhin hat Strawinsky, zu Ende des Ersten Weltkrieges in Geldnöten, diese Geschichte für Aufführungen an öffentlichen Plätzen und in Wirtshäusern gedacht, die Musik, die er dazu schrieb, (die melodischen Einfälle flossen offenbar so kärglich wie das Geld) über-, deren interpretatorische Schwierigkeiten aber unterschätzt.

Rhythmik statt Melos

Pralle Melodik und eingängig prägnante melodische Formulierung werden durch fragile Rhythmik und strukturelle Pointen ersetzt, um deren angemessene Wiedergabe sich anfänglich Dirigenten wie Ernest Ansermet oder Hermann Scherchen mühten.

Dem Merlin Ensemble musste ein Wink des Geigers Martin Walch oder ein paar kokette Körperbewegungen von Manfred Karge genügen.

Angesichts dieses dirigentischen Sparprogramms zeigten sich die sieben Instrumentalisten ihren Aufgaben spieltechnisch ohnedies auf höchst respektable Weise gewachsen. Dies reichte zwar für eine musikalische Untermalung, die notwendige dramaturgische Eigenständigkeit jedoch blieb unerreicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2002)