Inland
Gewerkschaftsbund sucht Mitglieder und sich selbst
Stellenabbau als Ursache für Rückgang um 1,4 Prozent ausgemacht - Reformen auf dem Weg
Wien - Der Österreichische Gewerkschaftsbund hat im
vergangenen Jahr 1,5 Prozent seiner Mitglieder verloren. Das ist für
die Leitende Sekretärin Roswitha Bachner zwar "überaus bedauerlich",
aber angesichts des "massiven Stellenabbaus im öffentlichen Bereich
nicht verwunderlich". 1,442.393 Mitglieder hatte der ÖGB per
31.12.2000, ein Jahr später waren es nur mehr 1,421.027. Das ist ein
Rückgang von 21.366 oder 1,5 Prozent. Vor fünf Jahren, 1996, hatte
der ÖGB noch rund 1,535 Millionen Mitglieder. Detaillierte Zahlen, so Bachner, gibt die ÖGB-Zentrale erst im
Herbst, im Rahmen des Jahresberichts, bekannt. Wie aber aus
Fachbereichen zu erfahren war, hat die Postgewerkschaft den größten
Mitgliederverlust, nämlich 5,9 Prozent, zu verzeichnen, bei den
Eisenbahnern beträgt das Minus 2,3 und bei den öffentlich
Bediensteten 2,2 Prozent. Zulegen konnte der klassische private
Bereich: Plus 0,2 Prozent jeweils beim Handel sowie beim Hotel- und
Gastgewerbe und ein kleines Plus von 0,03 Prozent bei den Metallern.
Jugend im Plus
Über ein "gutes Plus", so Bachner, könne sich
auch die neue Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier freuen, und
zwar unabhängig vom Wechsel der Journalisten zur früheren "Druck und
Papier"-Gewerkschaft.
Als "positives Signal" wertet die Leitende Sekretärin, die dem
ÖGB-Präsidium angehört, den Umstand, dass man bei der Jugend
insgesamt um sechs Prozent mehr Mitglieder erreichen habe können.
"Die Jugendlichen haben Probleme, Lehrstellen zu finden, es gibt
Verschlechterungen im Bildungsbereich und Arbeitslosigkeit. Unsere
Zahlen zeigen, dass junge Menschen sehr wohl die Vorteile einer
Gewerkschaftsvertretung zu schätzen wissen" - wenn sie, vor allem im
beruflichen Umfeld, informiert werden.
Im Bereich der "New Economy", der atypischen Arbeitsverhältnisse,
ohne entsprechende Information am Arbeitsplatz, hat der ÖGB noch eine
Arbeit vor sich. Bachner: "Das sind oft wahre Einzelkämpfer, meist in
keinem sozialen Rahmen". Der Anfang ist gemacht worden mit dem
Projekt "flexpower" oder beispielsweise dem ÖGB-"Jugendbus".
Kampf den Doppelgleisigkeiten
Den 1,4 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern stehen etwa 1,7
Millionen Nicht-Mitglieder gegenüber. Dieses Potenzial anzusprechen
ist das große Ziel des ÖGB. Bachner ist realistisch: "Knapp 20
Prozent davon wären für den ÖGB zu gewinnen". Ein großes Stück
Arbeit, wird der ÖGB doch gern als "Koloss" mit zu starren Strukturen
bezeichnet. Wertungen, die Bachner nicht gelten lässt: "Koloss" sei
zu negativ, und was die Strukturen anlangt, sei man gerade dabei,
neue Wege zu gehen.
Aber Strukturen seien nun einmal notwendig: die Betreuung vor Ort,
ohne lange Fahrtzeiten für Hilfesuchende, sei Sache der
Bezirksorganisationen. Die so genannten Landesexekutiven brauche man
für die politische Arbeit im jeweiligen Bundesland. Die Vertretungen
der einzelnen Fachgewerkschaften, allerdings nicht wirklich
flächendeckend, betreuen die Betriebe. Und die Zentrale, in der das
Bundesland Wien mit betreut wird, stehe nicht zur Diskussion, weil
dort die Fäden zusammenlaufen, weil ein "Dach" notwendig ist, lehnt
Bachner da und dort auftauchende Rufe nach einer Abschlankung der
Zentrale ausdrücklich ab.
Wo wird also der Sparstift angesetzt? Bachner: "Bei
Doppelgleisigkeiten". Wenn zwei Stellen das Gleiche tun, im
Servicebereich etwa, wird das geändert, solche Kosten will man
künftig einsparen.
Fritz Verzetnitsch wird vor dem Bundeskongress im Oktober 2003
neuerlich als ÖGB-Präsident kandidieren. Ob sich Bachner vorstellen
kann, für die übernächste Arbeitsperiode, 2007, als erste Frau an der
Spitze des ÖGB zu kandidieren? "Nein und zwar aus persönlichen
Gründen. So reizvoll diese Aufgabe auch wäre", winkt Bachner ab. (APA)