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Kommissionspräsident Prodi und sein Team bei einem Treffen mit der dänischen Regierung in Kopenhagen

Foto: APA/EPA/Keld Navntoft

Brüssel - Degradierung, Direktorium, Demission sind die Begriffe, die EU-Kommissaren in den Sinn kommen, wenn sie über ihre Zukunft nachdenken. Denn der Zeitpunkt der Erweiterung der EU und damit der Erweiterung ihres bisher 20-köpfigen Kollegiums naht. Sie macht schmerzhafte Veränderungen nötig: Einige Mitglieder werden Kompetenzen abgeben müssen - möglich, dass davon die großen Staaten profitieren. Schon ist von einem kollektiven Rücktritt die Rede. Gleichzeitig sind wegen einer großen Personalreform auch die einfachen Kommissionsbeamten verunsichert.

Mit seinem Beitritt bekommt jeder der bis zu zehn neuen EU-Staaten das Recht auf einen Kommissar. Und jeder, der in das bis 31. Dezember 2004 amtierende Gremium eintritt, bringt das gegenwärtige Kompetenzgefüge durcheinander. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat deswegen im Juni seinen Plan für die innere Reform des Kommissarkollegiums vorgestellt. Es sieht eine dreistufige Hierarchie vor.

An der Spitze säße der Kommissionspräsident selbst. Er würde Vizepräsidenten ernennen, die einzelnen Sachgruppen wie Außenpolitik oder Wettbewerbsfähigkeit vorsäßen. In diesen Gruppen würden dann die restlichen Kommissare tagen, jeder mit einem kleinen Dossier.

Dieses System der "Senior-" und "Junior-"Kommissare" ist in den Ministerien Großbritanniens, Frankreichs oder Spaniens gang und gäbe. In Brüssel wäre es revolutionär, denn es brächte offiziell Kommissare "zweiter Klasse" hervor. Bisher unterschieden sich die Kollegiumsmitglieder nur danach, ob sie ein "mächtiges" Ressort wie Wettbewerbspolitik oder ein "schwaches" wie Bildung innehatten.

Mancher in Brüssel befürchtet nun, dass nur die großen EU-Staaten Vizepräsidentenposten bekommen werden - was Prodi verneint: "Innerhalb der Kommission wird es kein Direktorium der großen Mitgliedstaaten geben", sagt er und betont, dass schließlich dem Präsidenten die Ressortverteilung frei stehe.

Offener Widerspruch

Forschungskommissar Philippe Busquin hat seinem Chef Prodi aber schon über die Medien sein "Nein" zu den Reformplänen übermittelt: "Meine Vorstellung ist nicht ein Pyramidensystem mit sieben Superkommissaren und 20, die weniger super sind." Die anderen Kollegen murren eher hinter den Kulissen. Doch jeder von ihnen weiß, dass sich mit der Erweiterung etwas ändern muss - unabhängig von den Vertragsänderungen von Nizza, die die Gesamtzahl der Kommissare regeln. Strittig ist, wie stark die Veränderungen die amtierende Kommission treffen sollen.

Eine Alternative zu Prodis Plan wäre, nach den Beitritten die Ressorts weiter aufzusplittern und die Neukommissare mit Kleinagenden abzuspeisen, bis sich Anfang 2005 das ganze Gremium neu konstituiert. Die andere Möglichkeit, die diskutiert wird: der geschlossene Rücktritt zum EU-Erweiterungstermin, um die Neuorganisation zu erlauben.

(DER STANDARD, Printausgabe, 22.7.2002)