Wien - Scharfe Kritik an der von Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) geplanten Reform des Vorverfahrens im Strafprozess kommt von Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler. Die Reform würde eine "unvorstellbar überschießende Personalvermehrung" bei den Staatsanwälten bringen - und das in Zeiten, wo zu Recht seitens der Regierung überall auf Einsparungen gedrungen werde. "Das legitime und richtige Ziel, Rechtssicherheit und Rechtsschutz zu erhöhen, lässt sich sicher kostengünstiger erreichen", sagte Fiedler im APA-Interview. Das Ministerium solle sich einen kostengünstigeren Weg überlegen. Fiedler räumt ein, dass es sinnvoll sei, Regelungen für sicherheitsbehördliche Ermittlungen zu schaffen. "Aber dazu muss man nicht das gesamte System umkrempeln, die Kompetenzen vom Gericht zu den Staatsanwälten verlagern, mit diesen Kostenfolgen". Diese "Kostenfolgen" entstehen dadurch, dass zur Umsetzung der Reform laut Regierungsvorlage netto 70 zusätzliche Posten (90 Staatsanwälte mehr, 20 Richter weniger) nötig sind, die laut Ministerium jährlich 5,7 Mill. Euro (Fiedler: "Das ist äußerst knapp berechnet") kosten würden. Wobei die Staatsanwälte selbst eine Verdoppelung fordern. Aber schon die geplanten 70 sind, betont Fiedler, "erschreckend genug": Sie würden bedeuten, dass bei den derzeit etwas mehr als 200 Staatsanwälten ein Drittel neue Posten geschaffen werden müsste. "Ich kann mich nicht erinnern, dass in irgendeinem Bereich jemals die Rede davon war, dass man eine bestimmte Berufsgruppe dermaßen vergrößert. Man stelle sich nur vor, jemand würde sagen, wir verbessern die Verwaltung und holen uns zu den 150.000 Beamten 50.000 dazu." "Sich so über die von der Regierung selbst gesetzten Grundregeln Einsparungen und Abschlanken der Bürokratie hinwegzusetzen und eine derartige Postenausweitung vorzunehmen, ist schon bemerkenswert. Das fällt total aus dem Rahmen. Ich kenne keinen Parallelfall. Wenn diese Art und Weise Schule macht, sehe ich jeder weiteren Verwaltungsreform mit Schrecken entgegen", sagte Fiedler. Natürlich sei die Verbesserung des Rechtsschutzes ein anstrebenswertes Ziel, "aber man muss sich nach den finanziellen Gegebenheiten richten - und fragen, welcher Weg der kostengünstigste ist, ohne vom Ziel abzuweichen. Das scheint mir hier nicht mit der entsprechenden Deutlichkeit angegangen worden zu sein". Fiedler verwies darauf, dass z.B. mit der großen Strafrechtsreform 1975 keine nennenswerte Vermehrung der Posten in der Justiz verbunden gewesen sei. "Bemerkenswert" ist für Fiedler auch, dass auch in der Regierungsvorlage immer noch keine abschließende und endgültige Kostenfolgenschätzung - wie sie im Bundeshaushaltsgesetz verlangt wird - enthalten ist. Und dies, obwohl der Rechnungshof schon in der Begutachtung und in eigenen Schreiben an das Ministerium eine solche eingefordert hat.(APA)