Wien
Wien ist auf dem Weg zu einer "Nonstop-City", die niemals schläft
Studie belegt Trend, der hierorts aber noch kaum beachtet wird
Wien - Fitnesscenter, die
selbstverständlich von 0 bis 24
Uhr geöffnet haben. Lokalbesuche sind ohnehin rund um
die Uhr möglich. Ein paar
Amtswege können bereits zu
jeder Tages- und Nachtzeit
online erledigt werden. Und
wenn die Geschäfte schon zusperren müssen - dann werden zumindest schon Automaten aufgestellt, bei denen
man das Wichtigste auch
nächtens kaufen kann.
Der Trend zur "Nonstop-City" macht auch vor Wien nicht
Halt. Und längst ist nicht mehr
nur New York die Stadt, die
niemals schläft - immer mehr Großstädte sind rund um die
Uhr aktiv und produktiv. Dies
belegt auch eine Studie des
Deutschen Institutes für Urbanistik (Difu): Diese Untersuchung, an der Matthias
Eberling und Dietrich Henckel
federführend mitgearbeitet
haben, verglich die Städte
Berlin, Frankfurt/Main und
Wien mit international berühmten "Nonstop-Städten",
wie London, Las Vegas, Tokio
und New York.
Das Resümee der Autoren:
In Berlin, Frankfurt und speziell in Wien gehen die Uhren
zwar etwas langsamer, der
Trend im städtischen Arbeits-
und Dienstleistungsbereich,
wie auch in der Freizeitkultur
am Wochenende oder in der
Nacht offen zu halten, ist auch
hier empirisch belegbar.
Thema "verschlafen"
Der große Nachteil in Wien
ist aber: Das Thema werde hier
so gut wie nicht diskutiert,
stellen die Autoren fest. Während andernorts bereits intensiv debattiert wird, welche sozialen und familiären Folgen
das erhöhte Tempo der Stadt
habe, werden diese Themen in
Wien sprichwörtlich "verschlafen".
Und: Abgesehen von Jüngeren und Besserverdienern sei
für den Großteil der Bevölkerung immer noch die "Zeit im
Bild" eine "magische Zeitgrenze" für Shopping und
Konsumation. In Deutschland
hat diese Funktion immerhin
die "Tagesschau" - eine halbe
Stunde später.
Die Wissenschafter vom Difu prognostizieren jedenfalls,
dass sowohl Wien als auch
Frankfurt und Berlin eine
neuerliche Diskussion über
die Ladenöffnungszeiten ins
Haus stehen wird. Die wirtschaftlich bedingten Zeit-Ausdehnungen werden den
Samstag und den Abend betreffen. Der Sonntag und die
Nacht würden aber als Erholungsphasen und Freiräume
weitgehend unangetastet
bleiben. Vorerst zumindest.
Anders als in Berlin oder
Frankfurt gebe es für die Verlängerung urbaner Aktivitäten
in die Nacht oder das Wochenende in Wien aber kaum
eine politische Lobby.
Wie "schnell" oder "langsam" eine Stadt ist, dokumentiert übrigens auch ein Vergleich der Gehgeschwindigkeit: In Berlin legen die Passanten im Schnitt 1,44 Meter
pro Sekunde zurück, in Frankfuhrt sind die Fußgänger mit
durchschnittlich 1,41 Sekundenmetern unterwegs. Die
Wiener allerdings sind mit
1,39 Meter pro Sekunde "signifikant" langsamer. (frei; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 01.08.2002)