Eine gespenstische Situation. Denn im Jüdischen Museum sitzt der Besucher diesem Foto, stark vergrößert und auf eine cinemascopeartige Fläche kaschiert, gegenüber. Und das verschwundene Visavis wie auch die anderen acht, die noch leben, erzählen über Lautsprecher aus ihrem Leben: von der Jugend in Österreich, vom Einmarsch Hitlers, von der Flucht, vom Neubeginn in den Staaten, von den zerstörten Hoffnungen und dem amerikanischen Traum.
Interviewt worden waren diese Emigranten von jungen Männern, die ihren Zivildienst in New York leisteten - als "Gedenkdiener". Der Verein Gedenkdienst entsendet jährlich rund 25 Österreicher zu diversen Holocaustgedenk-stätten in Europa, Israel - und seit 1995 an das Leo Baeck Institute, ein Recherche- und Studienzentrum zur deutschsprachigen jüdischen Geschichte in New York. Dort arbeiten die Zivildiener an einer der wichtigsten Oral-History-Sammlungen zur österreichischen Zeitgeschichte, der Austrian Heritage Collection.
Über Fragebögen hat man bisher 2500 Biografien von Emigranten zusammengetragen, zu 600 von diesen wurden Dokumentensammlungen angelegt, und mit rund 200 Personen führte man Interviews, teilweise in Englisch, teilweise in Deutsch. Zum zehnjährigen Bestehen, den der Verein Gedenkdienst heuer feiert, ermöglicht das Jüdische Museum nun einen Einblick in die Arbeit und die Motive der Zivildiener wie die neue Welt der Altösterreicher: Vom Großvater vertrieben, vom Enkel erforscht?