Arbeitsmarkt
"Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent zu optimistisch"
Arbeitsmarktservice korrigiert Wirtschaftsforscher - mit Grafik
Wien - Das Arbeitsmarktservice (AMS) ist für den
österreichischen Arbeitsmarkt für das 2. Halbjahr 2002
pessimistischer als die Wirtschaftsforscher. Die prognostizierte
Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent für das Gesamtjahr sei aus heutiger Sicht angesichts der anhaltenden Konjunkturflaute und der steigenden
Arbeitslosigkeit als "eher optimistisch" anzusehen, sagte AMS-Chef
Herbert Buchinger am Freitag vor Journalisten. Das AMS geht davon aus, dass diese Quote heuer bei 6,9 bis 7
Prozent liegen wird. Im ersten Halbjahr war die Arbeitslosenquote
gemessen als Prozentsatz des gesamten Arbeitskräftepotenzials mit 7,2
Prozent um einen ganzen Prozentpunkt höher als in den ersten 6
Monaten 2001 und damit wieder auf einem Niveau wie zuletzt 1999. Im Schnitt waren im ersten Halbjahr 2002 in Österreich 244.100
Menschen arbeitslos gemeldet, um 17,5 Prozent bzw. 36.400 Personen
mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Mittel bei 60 Millionen Euro
Dieser starke Anstieg der Arbeitslosigkeit bei stagnierender
Beschäftigung - im Schnitt waren in den ersten 6 Monaten waren im
Schnitt 3.123.500 Menschen (+01 Prozent) in aufrechten
Beschäftigungsverhältnissen -, vor allem aber die Transferzahlungen
in das Pensionssystem, die heuer auf ein Rekordniveau 1,45 Mrd. Euro
stiegen, sind laut Buchinger auch der Grund, warum das Defizit in der
Arbeitslosenversicherung heuer - je nach weiterer Entwicklung - auf
830 bis 850 Mill. Euro steigen wird. Im Budgetplan der Regierung sind
dafür allerdings nur 450 bis 500 Mill. Euro vorgesehen. Die Mittel des AMS für aktive Arbeitsmarktpolitik werden trotz der
drastisch gestiegenen Arbeitslosenzahlen heuer - so wie im Vorjahr -
bei 600 Mill. Euro liegen. Angesichts des Defizits werde er auch
nicht versuchen eine Aufstockung der Mittel zu verlangen, sagte
Buchinger.
Förderquote
Da heuer mehr Arbeistlose mit gleichhohen Mitteln für Schulungen
und Lohnzuschüsse auskommen müssen, sei es auch nicht ausgeschlossen,
dass das im nationalen Beschäftigungsplan formulierte Ziel, 20
Prozent der Arbeitslosen in aktiven beschäftigungspolitischen
Maßnahmen zu haben, heuer nicht erreicht wird. Im ersten Halbjahr lag
die Quote im Österreich-Schnitt nur bei 17 Prozent. Grund dafür war
vor allem ein absoluter Rückgang in Wien - die Förderquote lag in den
ersten 6 Monaten hier nur bei 13 Prozent - nicht zuletzt wegen der
Umstrukturierungen in der Geschäftsstelle. Bis Jahresende werde man
die Förderquote voraussichtlich auf 19 Prozent steigern können, wenn
es gelinge, die Effizienz bei den Schulungen weiter zu steigern.
Nach Ansicht der AMS-Leitung könnten im nächsten Jahr zu den
bisherigen Förderschwerpunkten der Bundesregierung - Qualifizierung
von Frauen und älteren Arbeitslosen - noch weitere dazukommen, primär
Behinderte. "Wenn es bei gleich bleibendem Geld mehr Schwerpunkte
gibt, gibt es automatisch weniger tiefgehende Schwerpunkte", so
Buchinger zu den Auswirkungen dieser Politik. Signale gebe es allerdings für eine Aufstockung der Mittel aus dem
Jugendausbildungssicherungsgesetz (JASG), - zuletzt 100 Mill. S - auf
das Doppelte, so Buchinger. Im Herbst droht seiner Ansicht auf dem
Lehrstellenmarkt eine Lücke von 2.700 Jugendlichen, die in Lehrgängen
bzw. Maßnahmen des AMS zur Vorbereitung auf Lehrabschlussprüfungen
untergebracht werden müssen.
Gegen selektive Lohnnebenkostensenkung
Ablehnend reagierte die Führung des
Arbeitsmarktservice (AMS) heute auf den Vorschlag der
Wifo-Arbeitsmarktexpertin Gudrun Biffl nach einer selektiven
Lohnnebenkostensenkung für Minderqualifizierte. Laut AMS-Chef Herbert
Buchinger ist dieses Potenzial durch die Lohnkostenzuschüsse des AMS
bereits "gut erschlossen". Die von Biffl gleichzeitig angeregte
stärkere Qualifizierung von gering ausgebildeten Arbeitslosen, sei
zwar geplant gewesen - eine Umschichtung von Beschäftigungs- zu
Qualifizierungsmaßnahmen -, durch die gestiegene Arbeitslosigkeit
jedoch verhindert worden. (APA)