Also sprach Wolfgang Schüssel angesichts der Katastrophe zum Fernsehvolk: "Wir werden vonseiten des Steuerzahlers etwas beibringen." Heißt übersetzt: Die Regierung bittet das Volk zur Kassa. Heißt weiter: Im Budget ist dafür kein Geld da. Was man auch als fiskalische Zwischenbilanz dieser Regierung verstehen kann.Man braucht nur ein bisschen nachdenken, um zu weiteren Schlüssen zu kommen. Wenn man für die Hochwasseropfer nicht genug Budgetmittel hat, warum denkt man dann weiter an einen Abfangjägerkauf? Beinhaltet nicht die Behebung der Flutschäden ebenfalls eine Ankurbelung der Wirtschaft? Kompensationsgeschäfte mit den Naturgewalten? Und wenn die Finanzlage des Bundes so angespannt ist, warum wird dann weiterhin über eine Steuerreform (= Steuersenkung) nachgedacht? Was so ein Solidaritäts-satz des Kanzlers alles nach sich zieht. Kein Zweifel: Wenn eine derart schlimme Katastrophe über Österreich hereinbricht, wird sich nahezu niemand einem finanziellen Opfer verschließen. Und weil Spendenaktionen allein wahrscheinlich zu wenig bringen, muss an größere Transaktionen gedacht werden. Weshalb man heute, Mittwoch, im Ministerrat auch über eine befristete Sondersteuer diskutieren möchte. Problematisch Diese Variante ist aus mehreren Gründen problematisch.
  1. Sie würde die Abgabenquote in Österreich weiter steigern und das Ziel einer substanziellen Senkung in weite Ferne rücken.
  2. Regierungspolitiker neigen dazu, immer neue Begründungen für die Verlängerung von Sondersteuern zu erfinden.
  3. Es ist nicht auszuschließen, dass man mit einem "Solidaritätsopfer" irgendwann einmal Wahlzuckerln finanziert.
Warum so misstrauisch? Erstens aus langjähriger Beobachtung der Politik. Zweitens, weil man Politikern nicht trauen darf. Und drittens, weil sie aus Machttrieb gerne vergessen, was sie versprochen haben. Aber auch die Vorschläge der Vizekanzlerin haben ihre Haken. "Zweckwidmung der noch vorhandenen Wohnbauförderungsmittel", sagte sie. Da diese Mittel in den Ländern liegen, müssten sie auch dort umgewidmet werden. Der Bund wäre also entlastet. Diese Art der Hilfe aber hätte eine dramatische Konsequenz anderswo: Man würde dem Wohnbau Geld entziehen und damit der mittelständischen Bauwirtschaft, wo die Zahl der Insolvenzen ohnehin ziemlich hoch ist. Wodurch die langfristige Arbeitslosigkeit weiter ansteigen würde. Nein, so geht es nicht. Die Wohnbauförderung sollte auf den Neubau und auf die Innovation im Siedlungsbau konzentriert werden, nicht auf die Schadensbehebung. Ein "Hilfspaket", wie es die SPÖ genannt hat, müsste daher - und das entspricht sowohl Vorstellungen der SPÖ als auch der FPÖ - großzügige Kreditaktionen mit zinsenlosen Darlehen genauso umfassen wie infrastrukturelle Maßnahmen in den Gemeinden, die man mit ohnehin schon geplanten Vorhaben verbinden könnte. Steuerermäßigungen für Firmen, die Solidaritätsrabatte bieten, könnte ein weiterer Anreiz zur forcierten Hilfe sein. Nicht nur Show Es ist sicher nicht nur Show, wenn Landeshauptleute bis zum Bauch im Wasser stehen und den Leuten Mut zusprechen. Psychologisch hilft es tatsächlich, wenn sich Verantwortliche an Ort und Stelle einen Überblick verschaffen. Dazu wurden sie ja auch gewählt. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Versprechen über Soforthilfen und "unbürokratische Maßnahmen" tatsächlich eingehalten werden. Die Landesregierungen haben bei anderen Katastrophen meistens bewiesen, wie gut ihre Verwaltungen sind. Das wird sich auch diesmal (mit unvermeidlichen Ausnahmen) bewähren. Gefordert ist vor allem die Bundesregierung. Das Ergebnis der Sondersitzung am Mittwoch wird zeigen, ob man sich der Herausforderung gewachsen zeigt und ein etwaiges "Solidaritätsopfer" wirklich nur für die Geschädigten eingeführt wird. (DER STANDARD, Printausgabe 14.8.2002)