Wirtschaftsforscher sehen keine Chance - Reformen in Verwaltung und Wohnbauförderung angesagt
Redaktion
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Wien - Eine Steuerreform im Jahr 2003 wird von den Chefs der
beiden Wirtschaftsforschungsinstitute, Helmut Kramer (Wifo) und
Bernhard Felderer (IHS) angesichts der erschwerten Konjunktur- und
Budgetlage als nicht mehr durchführbar erachtet. Auch der Vorsitzende
des Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch, vertrat auf der
gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch diese Ansicht.
Kramer könnte sich "allenfalls eine Entlastung bei den
Mindesteinkommen" vorstellen. Keinesfalls dürfte aus
konjunkturpolitischer Sicht eine Steuerentlastung Besserverdienenden
zugute kommen, die diese die zusätzlichen finanziellen Mittel eher in
Sparguthaben stecken würden. Da bei Mindesteinkommen kaum Steuer
anfällt, könnte deren Entlastung nur in Form von Zuschüssen
(Negativsteuer) erfolgen.
Lohnebenkostensenkung nicht finanzierbar
Hinsichtlich der von der Wirtschaft massiv verlangten
Lohnnebenkostensenkung wies Kramer darauf hin, dass diese angesichts
der Ausgangssituation der öffentlichen Haushalte bei 1,5 Prozent
Nettodefizit für 2002 nicht finanzierbar sei. Die Hoffnung auf die
Abschöpfung von Fonds-Überschüssen sei mit der Hochwasserkatastrophe
auch gesunken, da mit einer höheren Inanspruchnahme des
Insolvenzentgeltsicherungsfonds zu rechnen sei. Blieben höchstens
noch Überschüsse beim Unfallversicherungsfonds.
Das Institut für Höhere Studien (IHS) ist offensichtlich erst
kurzfristig auf die Ablehnung einer Steuerreform eingeschwenkt. "Ich
würde mich gegen eine Steuerreform aussprechen", sagte IHS-Chef
Felderer heute. In einem bei der Pressekonferenz vorgelegten
IHS-Papier mit Datum 20. August wird eine Steuerreform noch
ausdrücklich empfohlen. Felderer sagte heute, dass für ihn aber das
Thema Steuerreform "nicht erledigt sondern vertagt" sei. Die
Regierung müsse intensiv weiter an der Ausgabensenkung arbeiten.
Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch, wies
auf die Möglichkeit hin, die Lohnnebenkosten durch eine Halbierung
der 3-prozentigen Kommunalsteuer zu senken und dafür die Grundsteuer
anzuheben. Beide Abgaben sind reine Gemeindesteuern. Ein früherer
derartiger Reformvorschlag war jedoch von den Gemeindevertretern
massiv abgelehnt worden, da die Aufkommensverteilung aus diesen
Steuern stark differiert.
Vorschläge zur Schaffung von Wachstumsimpulsen
Die Wirtschaftsforschungsinstitute stellten eine Reihe von Vorschlägen zur Schaffung von
Wachstumsimpulsen und zur Budgetkonsolidierung sowie der
Staatsschuldenausschuss.
Reformen in der öffentlichen Verwaltung, bei der
Arbeitsmarktverwaltung, der Wohnbauförderung oder der Alterssicherung
stehen dabei im Mittelpunkt. Die Vorgabe von Finanzminister und Wirtschaftsminister vom Juli war auszuloten, mit welchen Sondermaßnahmen das
Wachstumspotenzial von Österreichs Wirtschaft in den nächsten Jahren
um etwa 0,5 Prozentpunkte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöht
werden könnte.
Das IHS sieht auf der Ausgabenseite ein Einsparungspotenzial von
2,2 Milliarden Euro. Notwendig sei eine umfassende Reform der
öffentlichen Verwaltung in Richtung Bundesstaatsreform, so IHS-Chef
Bernhard Felderer. Innovationen seien beim öffentlichen
Rechnungswesen, beim Verwaltungsmanagement und beim öffentlichen
Dienstrecht nötig. Das Sparpotenzial dabei beziffert das IHS mit 160
Millionen Euro. Auch Wifo-Chef Helmut Kramer und der Chef des
Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch, sehen hier noch Potenzial.
Kramer: Limits in Pensionsanpassungen
Kramer meinte auch, dass es bei den Pensionsanpassungen bzw. bei
den Gehaltsanpassungen im öffentlichen Dienst "Limits" geben müsse.
Die Erhöhungen sollten "nicht mehr als unbedingt notwendig"
ausmachen. Das IHS spricht sich dafür aus, das bestehende
Umlageverfahren bei den Pensionen durch die Einrichtung individueller
Pensionskonten zu ersetzen (Sparpotenzial 500 Mill.)
Kramer kritisierte, dass der Übertritt vom öffentlichen Dienst in
die Privatwirtschaft durch die unterschiedlichen Pensionssysteme zum
Teil "behindert" werde. Bei der Arbeitsmarktpolitik seien auch die
Zumutbarkeitsbestimmungen sowie der Ausbau der privaten
Arbeitsvermittlung zu überprüfen. Das IHS schlägt bei der
Arbeitslosenversicherung die Einführung eines "Experience-Rating" zur
Verringerung der Saisonarbeitslosigkeit (Sparpotenzial 150 Mill.) und
eine Reform des Altersteilzeitgeldes (100 Mill.) vor. Bei der
Altersteilzeit sind sich beide einig, dass das ursprüngliche Ziel,
einer Erhöhung der Erwerbsquote älterer Menschen nicht erreicht
wurde.
Reform bei Familienförderung
Reformen seien auch bei der Familienförderung nötig. Das IHS
spricht sich dafür aus, die Familienbeihilfe nur bis zur
Volljährigkeit der Kinder zu gewähren (290 Mill.). Zu hinterfragen
sei auch die Zweckbindung der Einnahmen des
Familienlastenausgleichsfonds, so Felderer. Die Mittel der Wohnbauförderung könnten - ohne merkbare Folgen für
die Bautätigkeit - erheblich reduziert werden (1 Mrd.), meint das
IHS. Eine Forderung, der sich auch das Wifo anschließt.
Potenzial sieht das Wifo auch bei den Subventionen. Vor allem die
Aufwendungen für die ÖBB und für EU-kofinanzierte
Landwirtschaftsprojekte seien in den letzten Jahren sehr stark
gestiegen, meinte Kramer. Einen "gewissen Spielraum" sieht er auch
bei den Ermessensausgaben. Der Staatsschuldenausschuss führt in seinem Bericht noch die
Neuordnung der Schulverwaltung, die Zusammenlegung von Polizei und
Gendarmerie oder den Abbau von Parallelstrukturen im Bereich der
Gesundheitsverwaltung als Reformvorschläge an. Das IHS erwartet sich
durch eine aktive Unterstützung der EU-Erweiterung positive Effekte. (APA)
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