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foto: apa/eggenberger
Wien - Das Stück, das die FPÖ gerade zum wiederholten Mal zum Besten gibt, ist für den Klagenfurter Universitätsprofessor für Sozialpsychologie und Psychotherapeuten Klaus Ottomeyer ein bekanntes Muster: "Ein narzisstisches Psychodrama. Es geht um Autonomie und Macht, um ein sadomasochistisches Wechselspiel von Verstoßung und Begnadigung", so der Autor des Buchs "Die Haider-Show" im STANDARD-Gespräch. Wie gewohnt findet das FP-Stück auf zwei Bühnen statt, Jörg Haider droht von der vermeintlichen Nebenbühne in Klagenfurt lautstark mit Rücktritt, falls seine freiheitlichen Mitspieler auf der eigentlichen Hauptbühne in Wien nicht irgendetwas von ihm Gewünschtes umsetzen - aktueller Fall: Steuerreform 2003. Er will sie, die anderen sollen sie machen. Wenn nicht, wäre er wieder einmal "schon weg" und würde das Weggeworfene auch nicht mehr aufklauben (Siehe: "Haider zwischen hier und weg" ). Marionetten unter der Sonne

Haider habe das bisher immer gesagt, so Ottomeyer, "wenn ihr zu viel Autonomie zeigt, dann ziehe ich mich zurück". Und diese Drohung sei in einem "narzisstischen Austausch", von dem nicht nur die ",Sonne‘ Haider, um die alle anderen kreisen", profitiere, sondern auch seine "Marionetten, die sich in seinem Glanz sonnen dürfen", eine gefährliche Ankündigung - zumindest solange Haiders Mitspieler nicht wirklich autonom seien. Was Ottomeyer bezweifelt: "Die Autonomie der spielenden Personen wird überschätzt." Psychodramatisch gesehen seien etwa die von Haider als "unbeflecktes Lamm" bezeichnete Vizekanzlerin Riess-Passer oder der selbst ernannte "Dobermann Haiders", Volksanwalt Stadler, "nur teilautonom, sie sind nur Aspekte seiner Persönlichkeitsdynamik". Typisch für eine narzisstische Persönlichkeit sei, dass sie "die anderen liebt und mag bis hin zum Rührstück - ,Susi, geh du voraus‘ - aber nur, solange diese als Erweiterung seines Selbst funktionieren: ,Meine Susi‘". Wenn sie sich nicht mehr nur als "abgeleitete Identitäten" definieren und in das "narzisstische Größenstück einfügen", komme als Katalysator die Drohung mit Beziehungsabbruch. Haiders kokettes Spiel mit Rücktrittsdrohungen setze die Partei und da vor allem Riess-Passer unberechenbaren Fliehkräften aus, es habe aber auch eine Funktion nach außen, erklärt Ottomeyer: "Jemand, der ein narzisstisches Psychodrama als Protagonist spielt, ist extrem abhängig vom Publikum, das wahrscheinlich noch wichtiger ist als die Mitspieler." Selbstverliebte Personen hätten aber "die Fähigkeit, nicht von einzelnen Individuen abhängig zu sein. Sie brauchen nur eine gewisse Menge an Publikumsspiegelung. Das verbindet sich dann mit der Fähigkeit, Einzelne, die sich ihm verweigern, fallen zu lassen." Bühnenwechsel nach Europa

Dieses Muster passe zu Haiders Plänen, sich in Europa zu engagieren. "Damit ist auch eine gewisse Sucht verbunden. Das wäre eine größere Bühne und die FPÖ hat die historische Vision einer Neuordnung Europas." Zwar sei das "akute selbstverliebte Drama des Narzissten eigentlich sehr inhaltslos. Es geht hauptsächlich um Erfolg, die Parolen und Versprechungen sind austauschbar." Wenn es aber einen Inhalt gebe, der sich durchziehe, sagt Ottomeyer, "dann ist das die Mission einer Neuordnung Europas, von der die Haider-FPÖ fast beseelt ist, und die natürlich auch über die Eltern und die Kriegsgeneration kommt". Wie kann das verquere Beziehungsmuster in der FPÖ aufgebrochen werden? Ottomeyer sieht zwei Wege: Entweder lasse Haider die anderen fallen und breche die Beziehung ab, oder der FP-Mannschaft sind das "narzisstische Ersatzfutter von Haider und die Spiegelung mit ihm nicht mehr so wichtig, weil sie die Möglichkeit hat, die sich bei Grasser andeutet, ihr Selbstwertgefühl aus eigenständigen Arbeitserfolgen zu bekommen". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.8.2002)