Zeitgenössische Musik aus Japan: Mayumi Miyata spielt die japanische Sho, eine Mundorgel aus Bambus- oder Holzröhrchen. Unter anderem in Tokio Hosokawas "Cloudscapes-Moonlight".

Montage: derstandard.at /Foto: Klangspuren
Schwaz/Tirol - Der größte, luxuriöseste, behäbigste Kulturtanker, jener der Salzburger Festspiele, hat eben angedockt. Auf den letzten Meilen seiner langen sommerlichen Passage durch die Meere der Hochkultur kreuzte er noch kurz in den eisigen Zonen des Zeitgenössischen - Helmut Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern erlebte dort seine kärglich-fröstelnde Realisation. Bis der nächste große Festivalkreuzer in See sticht - Wien modern - wird es Spätherbst sein: Inzwischen schippert im Tirolerischen eine kleine, aber feine Jolle durch die wilden Wasser der musikalischen Jetztzeit:

Von 5. bis 21. September finden in Schwaz (und Wattens und Jenbach und Innsbruck, Brixen und Franzensfeste) die Klangspuren statt. Obwohl der Begriff "klein" für die Klangspuren - sie finden heuer zum neunten Mal statt - längst nicht mehr stimmt: Innert 17 Tagen werden 27 Programmpunkte angeboten, 29 Werke erklingen zum ersten Mal öffentlich. In dem von Festspielnukleus Thomas Larcher sowie (zum zweiten Mal) von Peter Paul Kainrath konzipierten Programm sind vier Schwerpunkte gesetzt worden:

Die zeitgenössische Musik Japans, die Uraufführung des multimedialen Werks Hin zur Flamme von George Lopez, neue Musik für Blechblasinstrumente sowie eine kleine Wolfgang-Mitterer-Werkschau. Ersteres betreffend wird die jüngere Komponistengeneration Nippons präsentiert, Toshio Hosokawa muss innerhalb dieser als der Einflussreichsten einer beschrieben werden. Info: Schmiss sich Japans Musikkultur im letzten Jahrhundert allzu gierig an den Hals der hiesigen abendländischen, so ist in dem fernöstlichen Inselstaat in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine intensivierte Auseinandersetzung mit historisch Hausgemachtem zu konstatieren.

Der 1955 geborene Hosokawa kennt als Japaner mit europäischer Ausbildung (Klaus Huber, Brian Ferneyhough) beide Kulturen. Sein Werk vermeidet es laut Programmbuch, "stilistische Ansätze dekorativ zu vermischen, es sucht vielmehr, klar zu trennen und die Schnittpunkte von Begegnungen kenntlich zu machen". Dazu Hosokawa im O-Ton: "Ich möchte nicht beide Musikstile verschmelzen, sondern ich möchte meine Musik suchen." Weiterführend: "Ich brauche in der Musik einen strengen Stil." Als größere Hosokawa-Brocken stehen ein Konzert für Schlagwerk und eines für Klavier auf dem Programm, Letzteres speziell für Thomas Larcher verfasst. Unter anderem sind folgende Ensembles zu hören: die basel sinfonietta, die Camerata Salzburg, das City of Birmingham Orchestra, das Kairos Quartett, das Lotus String Quartet, das Amsterdamer Nieuw Ensemble sowie das Tiroler Symphonieorchester. Dieses bestreitet das heutige Eröffnungskonzert (Tennishalle Schwaz, 20.00). Leinen los und Schiff ahoi! (Stefan Ender/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2002)