ehemalige Mitglieder von Memphis 2001

Lampe Tahiti von Ettore Sottsass

Tisch Schwarzenberg von Hans Hollein

"Jeder Moment in der Geschichte hat seine eigenen Bedürfnisse und kulturellen Bestimmungen", sagt Memphis-Gründer Ettore Sottsass. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren hießen diese Bedürfnisse raus aus den strengen Zwängen der so genannten Moderne und rein in ein wirklich modernes, buntes, ausgeflipptes Leben mit den entsprechenden Möbeln und Gegenständen in exaltierten Formen, Mustern, Farbexplosionen. Wir erzählen von einer Zeit, in der der Personalcomputer in seiner Massentauglichkeit gerade erst erfunden war, in der die Wunderwelt der Elektronikchips gerade in ihren Tiefen ausgelotet wurde und in der sich mit Punk nicht nur eine neue, radikale Musikbewegung, sondern eine Geisteshaltung breit zu machen begann. "Memphis", sagt denn auch Gestalter Ross Lovegrove zurückblickend, "war für Design, was Punk-Rock für die Musik war." Das Zitat stammt aus dem Katalog zu einer Doppel-Memphis-Schau, die kommende Woche in Wien und Krems eröffnet und für die Lilli Hollein als Kuratorin verantwortlich zeichnet. Ihr Vater, Hans Hollein, war Memphis-Pionier der ersten Stunden. Er machte die verrückte neue Welt des Memphis-Designs auch hierzulande bekannt. 1981 präsentierte sich die Gruppe am Rande der Mailänder Möbelmesse, und der Architekt meint heute, damals "die Geburtsstunde eines movements " erlebt zu haben, "das die Welt nachhaltig beeinflussen und sie in neue Richtungen und Territorien lenken sollte. Memphis hatte die durchschlagende Frische und Kraft, einen Neubeginn zu provozieren und alles Vorhergehende alt aussehen zu lassen". Der italienische Architekt und Designer Ettore Sottsass war das Mastermind hinter dieser exaltierten Design- und eigentlich Lebensbewegung, der Vordenker, der eine ganze Reihe junger internationaler Formgeber inspirierte, ermutigte und ihren Arbeiten den entsprechenden Namen und Rahmen gab. "Wenn du die Funktion eines Objektes genau untersuchen willst", analysierte Sottsass, "zerrinnt sie dir zwischen den Fingern, weil sie ein Teil des Lebens ist. Funktion bedeutet nicht eine Schraube mehr oder weniger. Funktion ist der Schnittpunkt zwischen Objekt und Leben." Der kunterbunte Memphis-Kosmos steht heute freilich für Arbeiten von gestern. Das dampfbetriebene flötende Vögelchen auf Michael Graves Teekessel wirkt ebenso lieb altmodisch und aus einer schon vergangenen Zeit stammend wie Michele de Lucchis Spielzeuglampen oder gar die Ikone der Memphis-Designer hochselbst: Das bunt-schräge Bücherregal Carlton, das heute eher in Museen als in Wohnzimmern anzutreffen ist, und das nichtsdestotrotz Designgeschichte geschrieben hat, würde heute wohl kaum mehr Furore machen. Doch Ettore Sottsass hatte das - man muss bekennen, fast grauenerregende Meisterwerk - seinerzeit geformt, um dem Dekor, der Farbe, dem Muster wieder einen ordentlichen Stellenwert im Leben zu geben. Und das ist ihm, obwohl die Memphis-Objekte selbst aus diesem alltäglichen Leben verschwunden sind, durchaus gelungen. Memphis hat die Designwelt nachhaltig ein wenig weitergedreht, hat die entsprechenden nüchternen und kühlen Gegenbewegungen provoziert und damit ordentlich umgerührt. Viele zeitgenössische Gebrauchsgegenstände, vom bunten Flaschenöffner bis zum geschraubten Kerzenständer, wären undenkbar ohne die Memphis-Designahnen. Als Stars gehandelte Gestalter wie etwa Philippe Starck oder Marc Newson hätten es bedeutend schwerer gehabt, ihre gelegentlich ans Absurde grenzende Gestaltungswut Dingen wie schlichten Orangenpressen angedeihen zu lassen, hätten ihnen nicht Sottsass & Co. den Weg mit Objekten wie der knallroten Schreibmaschine geebnet, auf der David Bowie seine Texte zu schreiben pflegte. Diese Revolution hat ihre Kinder also ausnahmsweise nicht gefressen. Die Memphis-Proponenten haben Flagge gezeigt, sich lediglich nach ein paar Jahren der Gemeinschaftlichkeit wieder zerstreut, sie sind einander verbunden geblieben und doch eigene Wege gegangen. Sottsass stieg 1988 als Erster aus der Vereinigung aus. Er habe es satt gehabt, stets nur noch mit Memphis identifiziert zu werden, er habe sich verstärkt wieder der Architektur zuwenden wollen. Was von Memphis blieb, versucht Stefano Giovannoni in seinem Katalogbeitrag folgendermaßen zu formulieren: "Während der 80er, die das Jahrzehnt der Erforschung der Designsprachen waren, spielte Memphis eine Schlüsselrolle. Es öffnete einen neuen Raum, der es ermöglichte, verschiedene Perspektiven zu entdecken." (derStandard/rondo/Ute Woltron/6/9/02)