...entschuldigte sich unser Rezeptionist später: Gegen manche Leute ist man machtlos. R. ist so einer. Ihn abwimmeln, ist so, als würde man mit einer Sandkistenschaufel gegen eine Mure antreten. Besser, man versucht, mit möglichst geringem Schaden irgendwo an Land zu kommen.

R. ist im Prinzip harmlos. Aber besessen. Von seiner Idee. In seinem Fall war es die, die „Wiener Unterwelt“ nicht nur zu erkunden, sondern auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Er, R., erzählte mir der Mann mit dem Vollbart, der da in mein Zimmer gestürmt war, er werde Touren machen. Durch den Wienfluss. Mit Fackeln. Und Trommeln. Und Mystik. Und allem drum & dran.

Mein Widerstand brach rasch ins ich zusammen: Dass es bereits 1001 Touren zum dritten Mann gäbe, zählte nicht. Dass das Durchqueren des Wienflusses längst kein Abenteuer mehr sei und wir das schon in unsere Gymnasiastenzeit nicht mehr als echte Mutprobe durchgehen lassen hätten, war R. auch egal: Die Unterwelt, so der bisher in der Computerbranche tätige Mitzwanziger, sei ein Abenteuer. Eines, das er den Wienern näher bringen wolle. Und werde. Deswegen habe er ein Büro gegründet.

Bontempijaulen

R.s Büro nannte sich „Kreativbüro“. „Es gibt nur ein Kreativbüro“ war die erste kreative Königsidee des Büros - und R. wurde nicht müde ebendies zu wiederholen. Außerdem – R. zog eine Kassette aus der Sakkotasche - habe er einen Song geschrieben. Einen „Technosong“. Ich seufzte: R. würde erst gehen, wenn ich den Song angehört hätte. Der Technosong war unbeschreiblich. Bontempi-Gejaule. Schlagzeugklappern. Reime der Kategorie „die Unterwelt, die Unterwelt, die ist´s, was Wien zusammenhält“. Als Draufgabe Sätze á la „das Kreativbüro, das macht uns froh.“ R. war stolz. Ich gab auf: Eine klitzekleine Ankündigung würde niemandem weh tun – und wäre rasch wieder vergessen.

Aber ach: Mit dem Artikel in der Hand ging R. auf Rundreise durch die Redaktionen der Stadt. Einmal erzählte mir ein Freund, er habe sich – beruflich – zum Kreativbüro in den Wienfluss verirren müssen. „Es war kläglich. Eine Schmalspurinszenierung. Aber das komische ist: Den Leuten hat es gefallen.“

Der Rivale

Fünf Jahre später ist mir R. wieder begegnet. Eine „Charitywanderung für die Hochwasserhilfe“ stand auf dem Zettel. Treffpunkt: Pilgramgasse, beim Abgang in den Fluss. Eine Telefonnummer. Am anderen Ende der Leitung: R. Tobend: Eine Frechheit sei das, er habe mit dem Wanderer nichts zu tun. Er sei schließlich das „Kreativbüro“, das andere aber bloß das „Kreativtheater“. Ein ehemaliger Weggefährte, der ihn schmählich verlassen und verraten habe. „Der hat gar keinen Gewerbeschein“, sagt der vom Büro fürs Kreative über den vom kreativen Theater. „Der darf das eigentlich gar nicht“. Sein Büro habe auch schon die Wirtschaftskammer eingeschaltet.

Im Wienflussbecken stand dann der vom Theater. „Der R. ist ein ehemaliger guter Freund von mir. Mehr will ich dazu nicht sagen.“ Er verteilte Fackeln. Irgendwer würde trommeln. Es gab wen kostümierten. Ein bisserl G´schichterln, ein bisserl Geschichte. Eigentlich kläglich. Aber den Leuten – es waren fast 30 gekommen – hat es trotzdem gefallen. Und R. ruft mich wieder an. Er hat da nämlich ein paar neue Ideen.

NACHLESE
--> Das Einzelsockenmysterium
--> Abstumpfen im Hochwasser
--> Simmering unter Sternen
--> Gruß an die zugestiegenen Fahrgäste
--> Von oben
--> Trägheit und Minigolf
--> Schaumgummikünstlers Assistent
--> Starbucks ist super
--> Im Swingerclub
--> Mit dem Twingo gegen die Monotonie
--> Im Museumsfreibad
--> Watschen für Othmar
--> Weitere Stadtgeschichten...