Lech - Das Thema "Kanäle der Macht" führt in viele Seitenarme. Vor allem, wenn es um "Herrschaft und Freiheit im Medienzeitalter" geht und dazu auch Sozial- und Geisteswissenschafter referieren, Volkswirte und Autoren, noch dazu herrschaftsfrei, abseits infogeiler Medien. So geschehen am vergangenen Wochenende beim diesjährigen, von Konrad Paul Liessmann organisierten Philosophicum in Lech. Um diese Kanäle auszumessen, ruderten manche Vortragende in entlegene Bereiche. Wie der Philosoph, Architekt und Volkswirt Georg Franck ausführte, ist gerade der Wissenschaftsbetrieb ein gutes Beispiel für den von ihm skizzierten "mentalen Kapitalismus", in dem Aufmerksamkeit gegen Information getauscht wird und die Medien quasi die Finanzinstitute dieses tatsächlich neuen Marktes sind. Die von ihm konstatierte Privatisierung des öffentlichen Raums erkläre die Notwendigkeit, überall eine "verzinsliche" Attraktion anzubieten. Wer das nicht kann, sucht mit Gewalt die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken (was wiederum quotenträchtig den Medien nützt). Von hier sind es nur wenige Schritte zur Neubewertung des Märtyrertums im globalen Konflikt. Der lange Applaus für Franck war dann wie die Probe aufs Exempel: Kleingeld der Attraktionsökonomie. Auch Rainer Paris, Soziologe in Magdeburg-Stendal, erntete ihn, für seine Systematisierung von Machtstrategien und ihren Tücken. Ihm ging es um die Dilemmata einer Politik, die nichts mehr richtig machen kann, und nur mehr ganz am Rande um Medien. Der Dortmunder Politologe Thomas Meyer führte auf den Canale Grande des Symposiums zurück, mit einer engagierten Kritik der Mediokratie "statt Parteiendemokratie, deren Kulissen noch auf der Bühne stehen, als würde ihr Stück noch gespielt". Der Zeitdruck werde immer dringlicher und bringe die traditionelle Politik immer mehr ins Hintertreffen. Beschleunigung aber, führte nun der SPD-Denker Peter Glotz eines seiner Lieblingsthemen aus, sei nun mal das Charakteristikum unserer Epoche, und wir täten gut daran, uns an sie zu gewöhnen. "Wir werden entweder Global Players oder Futter für Global Players", und "Entschleuniger" seien zwar ein sympathisches, aber kein zukunftsträchtiges Modell.

"Pfui Teufel!"

Weniger das Globale, mehr die austriakischen Sonderlichkeiten nahm der Wiener Soziologe Reinhard Knoll auf die Schaufel in einem Rundumschlag, der weder Politik noch Medien noch Blue Jeans oder sonstige Modernismen ausließ. Die Funktion des Fernsehens als behavioristische Lernmaschine wolle er rein analytisch betrachten, etwa in Auswirkungen auf die Bildungspolitik, "aber nicht kulturkritisch, pfui Teufel!"

Zu besonderen Anlegestellen des Themen-Kanals führten Elisabeth Bronfen, Anglistin in Zürich, und der Kunsthistoriker Walter Grasskamp aus München: Als hätten sie es abgesprochen, beschäftigte sie sich mit der Ikonografie der "Diven" und ihrer medial vermittelten Verletzlichkeit (Beispiele wie Callas waren auf Video zu sehen), während er Entstehungsbedingungen des Sgt.-Pepper-Covers der Beatles und seine kulturhistorische Bedeutung dekodierte.

Robert Menasse aber brachte im letzten Vortrag am Sonntag das Thema wieder auf den aktuellen Punkt, als er seine Eindrücke von 9/11 zu einem Medien-Essay über die Antithese von Bild und Bildung erweiterte. Wie auch in früheren Jahren behandelte das Philosophicum sein Thema mit schwerem Geschütz oder mit Aquarellpinsel, jedenfalls so, dass es kaum jemanden gleichgültig ließ. Im Frühjahr kommen die Texte als Buch heraus, im Netz sind sie zum Teil schon zu lesen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2002)