Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Museum und sehen - Galerien. Nicht wie etwa die kunst wien im MAK als Messe, Preisschilder inbegriffen, sondern als museumsreife Installations-Serie. So direkt hat das noch niemand gemacht wie die Londoner Royal Academy, die derzeit in ihren musealen, hohen Räumen nun The Galleries Show, die "Galerienausstellung", beherbergt. Seit Sensations (1998), der skandalträchtigen weltweiten Markteinführung der Young British Art (YBA) rund um Damien Hirst, ist die einst gediegen vor sich hindümpelnde Academy immer für eine Überraschung gut. Nach der nicht ganz so weitreichenden Themenausstellung Apocalypse - immerhin mit den Chapmans und einem genialen Eingangslabyrinth von Gregor Schneider (vor der Biennale Venedig!) - wählten die Kuratoren, Norman Rosenthal und Max Wigram, 20 der besten Galerien der britischen Hauptstadt für die Schau, Jay Jopling mit White Cube ausgenommen.

Londons Galerienszene habe sich seit den vergangenen zehn Jahren deutlich gefangen, meinen die beiden, denn die Thatcher-Ära zuvor hatte nur ganz wenige Galerien bestehen lassen, viele auch hervorragende Künstler hatten damals das Handtuch geworfen. Aber auch heute ist die Szene für diese Millionenstadt verhältnismäßig klein, bestätigt das seit einem Jahr zeitweilig in London lebende, erfolgreiche österreichische Künstlerpaar Muntean & Rosenblum: "Man bleibt unter sich, und obwohl London sehr groß ist, trifft man die Kunstleute an den selben Plätzen. Wie in Wien".

Die beiden werden von Interim Art (Maureen Paley) vertreten, die auch Turner-Prize-Gewinner Wolfgang Tilmanns und Gillian Wearing unter Vertrag hat. Ihre kleine Galerie ist in einem der Galeriedistricts entstanden, in Hoxton im Londoner East End, auch unweit der von Jay Jopling auf zwei Stockwerke erweiterten Galerieräume. Seit Tracey Emin und Co sich rund um die Brick Lane angesiedelt und die indischen Bewohner weitgehend verdrängt haben, schlägt das Londoner Kunstherz im Osten. Adrenalin bekommt es natürlich auch durch angestammtere Galerien in Central London. Witzig - aber alles andere als neu natürlich - ist das Konzept von "The Approach", in einem Pub über eine Treppe zu erreichen.

Modellhaft könnte die Londoner Show werden, stellt sie nicht nur das Galerienprogramm in höchst ansprechender Form dar, großzügig auf Riesenflächen, mit Installationen, die sonst nicht einmal Galerie-geschweige denn Messekojen hätten. Pro Galerie informiert ein Saaltext über inhaltliches Programm, Gründungsjahr, Künstler und Standort. Das handliche, hervorragend layoutierte the galleries book listet obige Saal-Eckdaten und alle vertretenen Künstler auf, zeigt Abbildungen inklusive Stadtplan und Verkehrsverbindungen. So werden die 20 in der Academy vertretenen Galerien plus 13 weitere (auch White Cube), schmackhaft gemacht. Galerien zeitgenössischer Kunst wohlgemerkt, denn zuvor war London eher mit Alten Meistern in Verbindung gebracht worden. Große Impulse für die Etablierung der YBA kamen vom - streitbaren - Sammler Charles Saatchi, der auch bei der Galleries Show einkaufte. Die Karriere von YBA-Star Sarah Lucas begann übrigens, als sie als Nobody in einem Alternative Space ausstellte. Saatchis Limousine fuhr vor, er kaufte gleich alles.

Die Kollektion des Werbeunternehmens, welche selbst die Tate Modern in den Schatten stellt, wird übrigens ab kommendem Frühjahr auf 30.000 Quadratmetern öffentlich zu sehen sein. Das ehemalige Rathaus am Südüfer der Themse, prominent platziert und in der Nähe von Tate Modern sowie der Eurostar-Station Waterloo, soll zwölf Stunden täglich, sieben Tage die Woche offen bleiben. Es heißt zwar, dass eine Organisation/Firma den Zenit überschritten habe, wenn man großartige Paläste für sie bereithält oder baut. Und die jungen revolutionären britischen Künstler sind nun mittelalterliches Establishment. Aber die Jüngeren, Neueren, werden sicher wieder andere(s) hereinlassen. (Doris Krumpl/DER STANDARD; Printausgabe, 05.10.2002)