Badlands
19. 10., 18:00 G
23. 10., 11.00 K

Foto: Viennale

In The Bedroom
19. 10., 16.00 K

Foto: Viennale

3 Women
21. 10., 13.00 G
29. 10., 23.30 M

Foto: Viennale

Carrie
20. 10., 18.00 G
21. 10., 16.00 K

Foto: Viennale
Im New Hollywood der 70er-Jahre verkörperte die US-Schauspielerin Sissy Spacek die eigensinnigsten Teenager, später beeindruckte sie mit nuancierten Porträts selbstbewusster Frauen. Die "Viennale" würdigt die Charakterdarstellerin heuer mit einem Tribute. In einem recht unscheinbaren Hotelzimmer erwacht sie aus dem Delirium, mit großen Augen mustert sie die ungewohnte Umgebung - und dann sagt sie, wie schön es hier sei. Lee Marvin, ein Gangster mit Herz, hat das Mädchen mit den Sommersprossen und den rötlichen Haaren zuvor aus den Händen eines brutalen Viehbarons befreit. In ihrer ersten Rolle, in Michael Ritchies Prime Cut , ist Sissy Spacek - ähnlich wie Jodie Foster in Taxi Driver - das Objekt männlichen Beschützerinstinkts. Gleich Foster bewahrt sie dabei ein Maß an Eigensinn, der sich weniger in Taten als in unergründlichen Blicken, einer seltsamen Laune ausdrückt: ein erstes Indiz für das Talent einer Schauspielerin, die in ihren Rollen nie ganz aufgehoben ist. Spacek, 1949 in Quitman, Texas, geboren, war schon 23, als sie die minderjährige Poppy spielte, ein Jahr später verkörperte sie die 14-jährige Holly in Terrence Malicks Badlands , 1976 Carrie in Brian de Palmas Stephen-King-Adaption. Der Beginn ihrer Karriere fällt in die Zeit des New Hollywood der 70er, einer Phase der Neuorientierung im US-Kino, in der auch Gesichter, die weniger stereotypen Schönheitsidealen entsprachen, gefragt waren. Mit ihren ersten Filmen etabliert Spacek einen gänzlich neuen Typus des weiblichen Teenagers. Er ist gekennzeichnet durch die Eigenschaften einer Generation, deren Verhalten nicht eindeutig aufschlüsselbar und deren Werte in Auflösung sind. Familie ist in Badlands auf einen gewalttätigen Vater reduziert, in Carrie auf eine fanatische Mutter - und jedes Mal geht ein Haus in Flammen auf. Spacek spielt beide Figuren mit einer befremdlichen Entrücktheit: Holly beobachtet etwa die Gewaltakte Martin Sheens völlig ungerührt, in einer Mischung aus Unernst und Indifferenz. Carrie fühlt sich am Abschlussball "wie auf dem Mars"; wohl auch, weil sie ein Mädchen ist, das so gar nicht in ihre Zeit gehört. Sie will aber dorthin gehören - so offenbart sich die dämonische Seite von Spacek: Der Blick aus weit aufgerissenen Augen löscht die mädchenhafte Scham aus und lässt Messer zu Pfeilen werden. Das innere Ringen um Eigenverantwortung findet sich abgewandelt noch in Spaceks reiferen Rollen: In Coal Miner's Daughter , einem Bio-Pic über die Countrysängerin Loretta Lynn, für das sie einen Oscar erhielt, wandelt sie sich vom kindlichen Rotkäppchen, das mit ihren Aufgaben als Ehefrau überfordert ist, zum Star, der eine Erfindung ihres Mannes (Tommy Lee Jones) war. Doch sie wächst in diese Rolle hinein, wird unmerklich widerspenstiger. Spaceks Figuren scheinen generell durch ihre latente Abwesenheit ihre Präsenz nur noch zu erhöhen - ganz anderes ist man ansonsten von US-Stars gewohnt. Dazu passt, dass sie immer wieder Pausen einlegt oder, wie in den 90er-Jahren, vermehrt in Nebenrollen auftaucht. In Paul Schraders Affliction , einer Vater-Sohn-Tragödie, ist sie beinahe die einzige Frau. Sie spricht nicht viel, am Ende verlässt sie den Mann, den sie nicht retten kann - die Geste, mit der sie ihn fortstößt, sich von ihm befreien will, ist eine der ergreifendsten des Films. Manche Gefühle sind unaussprechbar, aber die feinnervige Schauspielerin Spacek macht sie sichtbar - zuletzt in Todd Fields In the Bedroom als um ihren Sohn trauernde Mutter. Das sommersprossige Mädchen ist längst eine sehr kontrollierte Frau geworden, aber immer noch schlummert in ihr eine ungebändigte Wut. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2002)