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foto: apa/schlager
Alexander Van der Bellen ist von "großem Zorn erfüllt". Dass ihm, der außenpolitischen Sprecherin Ulrike Lunacek und den Grünen generell Antisemitismus unterstellt werde, "ist wirklich absurd". Van der Bellen: "Das Allerabsurdeste ist, dass sich ausgerechnet die ÖVP erfrecht, uns da etwas anhängen zu wollen. Jene ÖVP, die zu den antisemitischen Ausfällen Haiders und zu den unsäglichen Vergleichen Stadlers geschwiegen hat." Ausgangspunkt ist eine Veranstaltung der Wiener Grünen im August, bei der neben Lunacek auch Felicia Langer, eine militante Antizionistin, am Podium saß. Thema: "Krieg im Heiligen Land." Lunacek hatte bei dieser Diskussion die Überlegung angestellt, Waren aus den jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten aus der Steuerbegünstigung der EU herauszunehmen. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat ortet jetzt "radikale Tendenzen" bei den Grünen. Eine "missglückte Veranstaltung", wie Van der Bellen im Gespräch mit dem STANDARD feststellt. "Ich habe das intern unmissverständlich klar gemacht, dass man diese Veranstaltung hätte absagen sollen. Es war nicht gewährleistet, dass am Podium einigermaßen ausgewogen alle Positionen vertreten sind. Das haben mittlerweile alle eingesehen." Auch Lunacek. Einer allerdings nicht: Wilfried Bader, Vorsitzender der Grünen Bildungswerkstatt in Tirol. Van der Bellen: "Es stellt sich heraus, dass von ihm Äußerungen gekommen sind, die ich nicht akzeptieren kann. Ich habe daher intern den Rücktritt des Herrn Bader gefordert. Ich tue das auch öffentlich. Man kann nicht zum israelisch-palästinensischen Konflikt Stellung nehmen, ohne die palästinensischen Terroranschläge eindeutig zu verurteilen. Das ist Herrn Bader bisher nicht gelungen." Zorn und Ungeduld Van der Bellen wollte zu den Antisemitismus-Vorwürfen erst gar nicht Stellung nehmen, "aber wie sich herausstellt, ist es hin und wieder selbst bei absurden Sachen notwendig, sich eindeutig zu äußern". Die Grünen, so betont Van der Bellen, bemühten sich seit Jahren konsequent und systematisch um beste Beziehungen zur Kultusgemeinde. "Es erfüllt mich mit großer Ungeduld und großem Zorn, wenn ich mich in einer Situation, wo unsere Position eindeutig ist, plötzlich in der Defensive sehe." So wie Rauch-Kallat und ÖVP-Klubobmann Andreas Khol reagiert haben, ist es für Van der Bellen "nahe liegend, die ÖVP dahinter zu vermuten. Wenn die ÖVP ein Wahlkampfthema daraus machen will, bitte schön. Aber ich möchte das nicht." Das "Aufbauschen einer Veranstaltung zu einem Verdachtsmoment gegen Grüne" ist für Van der Bellen absurd. Er verweist darauf, dass die Grünen vor eineinhalb Jahren im Parlament einen Antrag auf spezifische Förderung des jüdischen Zuzugs nach Österreich eingebracht haben. "Mit diesem Antrag sind wir alleine geblieben, nicht einmal die SPÖ hat das unterstützt." Kritik an Israel sei immer eine heikle Angelegenheit. "Jede Kritik an der Regierung Sharon oder an einer anderen israelischen Regierung muss hundertmal vorausschicken, in welchem Kontext sie passiert. Es muss zum Beispiel klar sein, dass das Existenzrecht Israels unbestritten und unbestreitbar ist. Im Übrigen müssen sich gerade österreichische oder deutsche Politiker ihrer besonderen historischen Verantwortung bewusst sein", sagt Van der Bellen. "Für Israelis wie auch für jüdische Bürger in Europa ist es schwer zu akzeptieren, dass man eine Regierung kritisieren kann, ohne deshalb Israel als Staat infrage zu stellen. Bei mancher Kritik steckt leider tatsächlich Antisemitismus dahinter." Van der Bellen sieht durch die Terroranschläge ein ganzes Volk traumatisiert. "Auf diese Weise stützen Hamas und Djihad de facto die Regierung Sharon." Bei Kritik vermisst der Grünen-Chef oft ein Mindestmaß an Einfühlungsvermögen. "Das heißt nicht, dass man für jede Aktion der Regierung Sharon Verständnis haben muss. Aber man muss sich in die Situation in Israel hineinversetzen. Sonst läuft man Gefahr, missverstanden zu werden." (Michael Völker/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2002)