Kurt Lanthaler, Napule. EURO 18,40/220 Seiten. Haymon, Innsbruck 2002

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Günter Brödl, Kurt Ostbahn: Schneeblind. EURO 15,90/196 Seiten. Eichborn, Frankfurt am Main 2002

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In Neapel ist man ein wenig drastisch, wenn es gilt, jemandem sein Missfallen auszudrücken: man hinterlässt einen geköpften Hahn im Büro desjenigen, der unangenehm aufgefallen ist. Das Büro gehört einem wegen allzu gründlicher Ermittlungen in Ungnade gefallenen Polizeibeamten und der ist zufällig ein Bekannter von Tschonnie Tschenett. Dieser wiederum hat sich nach einem längeren Aufenthalt in Saloniki seiner seemännischen Vergangenheit entsonnen und sich per Frachter nach Neapel beziehungsweise Napule aufgemacht. Kaum hat Tschonnie den Fuß auf den italienischen Boden gesetzt, liegt er auch schon auf demselben. Denn die Polizei forscht mit unsanften Methoden nach illegalen Einwanderern und Tschonnie ist auf dem besten Wege, sich gröbere Probleme einzuhandeln. Eingetaucht in den weihnachtlichen Wirbel dieser unberechenbaren, vitalen und wilden Stadt, ist ausgerechnet Tschonnie der Letzte, der eine junge Frau vor ihrem spurlosen Verschwinden gesehen hat. Lanthalers Stärke ist die Kenntnis von den Nachtseiten der Städte wie sie kein Tourist je zu Gesicht bekommt. Seine Zitate, - fast unübersetzbare Redewendungen aus dem neapolitanischen Dialekt - bilden im Anhang ein eigenes Kapitel, das zur Geschichte dazugehört, sich in diese einmischt und sie ergänzt. Napule ist weit davon entfernt ein bloßer Krimi zu sein, es handelt sich vielmehr um eine ethnologische Erkundung, durchgeführt von einem Vagabunden, der schon alles erlebt hat. Wie meistens beginnt der neueste Fall der unfreiwilligen Ermittler, Ostbahn-Kurtl, Trainer und Doktor Trash in einem grindigen Wiener Beisl und ist mit reichlich Alkoholkonsum und surrealen Situationen garniert. Was soll der Trainer mit dem obskuren Fax anfangen, das ihn zur satanischen Apokalypse in den saukalten Beserlpark des Henriettenplatzes einlädt? Dem Trainer sind die wirren und ziemlich beunruhigenden Botschaften nicht wurscht, hat er doch seit neuestem eine Jugendliebe, die Nora wiedergefunden. Die ist inzwischen sehr erfolgreich im dominanten Gewerbe tätig und sie, oder ein "Kunde" scheint in die komischen Ereignisse verstrickt zu sein. Der Doktor Trash ist recherchemäßig auch nur bedingt einsetzbar, da an höllischer Verkühlung leidend, ausserdem macht der Wirt des Stammbeisls düstere Andeutungen über die baldige Schließung des Lokals. Es ist ein rechtes Elend, wenn das gewohnte Biotop in Trümmer fällt. Schneeblind ist das aus den vorangegangenen Bänden schon bekannte Versteck-und Verwirrspiel um Autorschaft und Vorbilder, reale und erfundene Figuren und eine erdige Hommage für den im Jahre 2000 überraschend verstorbenen Günter Brödl. (Von Ingeborg Sperl/DER STANDARD; Printausgabe, 12.10.2002)