apa7dpa/Patrick Seeger
Mag sein, dass ihre Schale nicht ganz so makellos glänzend und ihre Form nicht ganz so ebenmäßig rund war. Doch der Geschmack der alten Obstsorten war einzigartig - und an ihn knüpfen sich Erinnerungen. Denn der Mensch verbindet im Gehirn eine Vielzahl sinnlicher Empfindungen und ordnet sie bestimmten Eindrücken zu. Ein paar Moleküle einer einst wahrgenommenen Aromamischung reichen dann aus, um dieselben Gefühle wie damals auszulösen. Folgende Qualitätsmerkmale beeinflussen das sinnliche Empfinden und können bei Äpfeln und Birnen unterschieden werden:

Beschaffenheit der Frucht

Die äußere Beschaffenheit der Frucht (Größe, Form, Farbe, Zeichnung, Glanz) vermittelt den ersten Eindruck. So zählt die Sorte "Peasgoods Sondergleichen" zu den sehr großen Äpfeln, und "Gloria Mundi" ist nicht nur riesig, sondern auch unförmig.

Das Paradebeispiel für ein attraktives Äußeres ist der "Rote Herbstkalvill", der durch eine dunkelrot glänzende Schalenfarbe andere Sorten im wahrsten Sinne des Wortes blass aussehen lässt.

Fruchtfarbe

Die Fruchtfarbe gibt uns unbewusst Hinweise auf die Geschmacksrichtung. Grüne Äpfel werden als sauer erwartet ("Granny Smith"), und mit einem roten Apfel assoziiert der Kunde Süße. Der "Golden Delicious" prägt unsere Vorstellung von gelben Äpfeln.

Dass die Farbe mit dem Geschmack nicht direkt in Verbindung steht, zeigt der "Gelbe Edelapfel": Äußerlich ähnlich dem "Golden Delicious", schmeckt dieser jedoch ausgesprochen sauer. Am Bauernmarkt wurde er auch schon als "Zitronenapfel" gesehen.

Konsistenz einer Frucht

Die Konsistenz einer Frucht kann fest, knackig, mehlig (mürbe) oder weich sein. Bei den Birnen gibt es noch die Bezeichnungen schmelzend und steinig, außerdem werden Birnen oft entsprechend ihrer Konsistenz sortenkundlich in verschiedene Gruppen eingeteilt. So wird unterschieden zwischen Birnen mit butterhaft-schmelzendem Fruchtfleisch, das sich beim Kauen geräuschlos auflöst, und Birnen, deren Fleisch beim Hineinbeißen abknackt und sich beim Kauen nicht auflöst.

Gerade die Butterbirnen werden heute - zu Unrecht - wenig geschätzt. Solche weichen, saftigen Früchte sind kaum zu transportieren, und der optimale Reifezeitpunkt ist sehr kurz bemessen.

Geruch von Früchten

Der Geruch von Früchten wird oft in Form einer subjektiven Beschreibungen in Analogie zu bekannten Gerüchen angegeben. Der "Lavantaler Bananenapfel" duftet leicht nach Banane, der Geruch der "Credes Quittenrenette" erinnert an Quitten, dem "Weißen Winterkalvill" wird Himbeerduft nachgesagt.

Manche Apfelsorten werden aufgrund ihres Dufts zur Gruppe der Rosenäpfel zusammengefasst. Der "Ilzer Rosenapfel" oder der "Danziger Kantapfel" als typische Vertreter riechen schon beim Reiben der Schale würzig und schmecken rosenähnlich parfümiert.

Geschmack von Obst

Der Geschmack von Obst kann süß, sauer, würzig, adstringierend oder bitter sein. Obstsorten mit ausgewogenem Zucker-Säure-Verhältnis und ohne störende Bitterstoffe fallen unter die Bezeichnung Tafelobst. Wirtschaftsobst hingegen ist oft säurereich und wird gern in der Küche verwendet. Sehr säurereiche Äpfel, die so genannten Säuerlinge, werden nur in der Mostproduktion verarbeitet, die bitterstoffreichen Mostbirnen und -äpfel kommen ebenso nur in die Presse.

Aroma der Früchte

Das Aroma der Früchte entsteht durch die Kombination von Geschmack und Duft. Damit eine Obstsorte das ihr eigene Aroma ausbilden kann, sind ein gesunder Baum und die richtige Erntezeit Voraussetzung. Übrigens: Wintersorten schmecken erst nach einer Lagerung von etwa einem Monat reif und typisch. (Marie-Therese Gudenus/DER STANDARD, Printausgabe vom 12.10.2002)