Das abenteuerliche, aber glücklose Leben des William Parmagino
19.10., 18.00 S
25.10., 11.00 M

Foto: Viennale

Die Geburt der Nation
19.10., 18.00 S
25.10., 11.00 M

Foto: Viennale

Das offene Universum
20.10., 16.00 K

Foto: Viennale

Verlassen; verloren; einsam; kalt
21.10., 18.00 S

Foto: Viennale

Aus dem Zeitalter der Übermut
22.10., 15.30 S

Foto: Viennale

Sulla
22.10, 21.00 K
23.10., 11.00 M

Foto: Viennale
Viennale-Direktor Hans Hurch scheint sich die Pflege der deutschen Nachkriegsavantgarde auf die Fahnen geschrieben zu haben: Nachdem er letztes Jahr Heinz Emigholz mit einer kleinen (viel zu kleinen...), wohlverdienten Hommage gewürdigt hat, wird dieses Jahr auf mindestens genauso berechtigte Weise Klaus Wyborny gefeiert, dessen neues Werk Sulla auf der Viennale seine Weltpremiere erleben wird. Die deutsche Nachkriegs-avantgarde, von Domnick bis Emigholz via Wyborny, Costard, Nekes, Kristl, und Kahn & Leiner, hatte es (weltkino-)historisch, also von der Höhe der Bleeker Street aus gesehen, immer relativ schwer: Primär, weil sie sich nicht von der Geschichte trennen wollte, zumindest nicht um jeden Preis. So hat es sich denn auch der 1945 geborene Wyborny, der studierte theoretische Physiker und autodidaktische Filmemacher, der auf seine Weise vielleicht Heftigste, Wüsteste von allen, seit Dekaden zwischen allen Kadern unbequem gemacht: Jeder Film ein Koan über die Wesenheit des Kinos, ein Versuch über das Streben nach der beredten Abwesenheit der Erzählung, die De-/Re-/Konstruktion der Geschichte. Wybornys Kino fassen zu wollen bedeutet, sich in Widersprüchen ergehen zu müssen: Zu jeder These gibt es eine Antithese, filmisch formgeworden in seiner Vorliebe für gespaltene, zweigeteilte (Anti-)Dramaturgien. Erst stellt man eine Behauptung in den Raum, dann zerlegt man ihn, restrukturiert ihn, wodurch implizit eine weitere Behauptung sichtbar wird - perfekt exemplifiziert in Die Geburt der Nation (1973), in dem eine Griffithsche Geschichte, ihre Grammatik, mit ihrem filmmateriellen Anderen - Outtakes, Negativbildern etc. - konfrontiert wird. Der Linearität - vom geraden Schnitt über den Horizont als künstlerischer Maßgabe bis zum Wesen des Anschlusses - wird eine Einheit des Disparaten, verkörpert in den Wyborny-typischen gekippten, knapp geschnittenen Bildern entgegengestellt. Geschichten sind für Wyborny immer territorial, imperialistisch. Geschichten zu erzählen bedeutet, Erfahrungen in ähnlicher Weise zu partialisieren und auszubeuten wie die Ressourcen und Weiten der Welt. Wovon Verlassen; verloren; einsam; kalt (1985-93) explizit erzählt: Die Kolonialisierung großer Teile Afrikas durch die Briten wird hier gleichgesetzt mit Beethovens Fähigkeit, Massen von Künstlern, ihre Klänge zu organisieren - wieder so eine Wybornysche Selbstschuss-Ironie, da Wyborny letztendlich immer wieder nach einer musikalischen Struktur in seinem Schaffen strebt; doch wessen Töne, Klänge, Harmonien? - immer Wybornys, so wie er immer wieder bei seinen Geschichten auf sein eigenes Leben, oder wie es hätte sein können, zurückgreift. Siehe etwa seine Pyramiden-Popperei in Aus dem Zeitalter des Übermuts (Dichtung und Wahrheit) (1981-94). Am Ende geht es Wyborny nie um die Zerstörung der Geschichte oder der Melodien, sondern um die Zerstörung selbst, den Akt des Bruchs, die Bearbeitung wie Reflexion einer falschen Reinheit, einer verkommenen Harmonie, exemplifiziert eigentlich schon ganz früh in Das abenteuerliche, aber glücklose Leben des William Parmagino (1969) mit seinen poetischen Drecks- und Zerfallsschichtungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)