Japón
19.10., 15.30 S
20.10., 13.00 G

Foto: Viennale

Gerry
21.10., 21.00 K
25.10., 23.00 G

Foto: Viennale
Zunächst sieht man nur Bewegung auf Straßen. Einmal sind zwei junge Männer - beide heißen Gerry (Matt Damon, Casey Affleck) - durch die zerklüfteten Landschaften des US-Westens unterwegs, scheinbar ohne Ziel. Im anderen Film führt der Weg aus der Metropole Mexikos heraus, langsam wird der Verkehr weniger - ein Mann (Alejandro Ferretis) hat sich auf den Weg gemacht, wohin genau, ist auch hier nicht klar. Carlos Reygadas Japón und Gus van Sants Gerry haben nicht nur einen ähnlichen Anfang. Beide Arbeiten treffen sich auch darin, dass sie das Verhältnis von Mensch und Natur in den Mittelpunkt rücken, wobei Landschaften beinahe der Status einer eigenen Figur zukommt - eines Gegenspielers, der die existenzielle Krise seines Gegenübers reflektiert oder aber schlicht - als Umwelt - ein ganz bestimmtes Verhalten heraufbeschwört. Japón wurde in Super-Cinemascope, einem selten gewordenen Trägermaterial, gedreht, und allein dieser Umstand gibt dem bedächtig fortschreitenden Film einen besonderen Rahmen durch die weiten Panoramen. Der Künstler, der hier in ein abgelegenes Bergdorf kommt und humpelnd ausgedehnte Wanderungen unternimmt, wirkt schon deshalb lebensmüde. Tatsächlich will er seinem Leben ein Ende setzen, aber wie in Abbas Kiarostamis Der Geschmack der Kirsche erfährt dieses Vorhaben (vorerst) einen Aufschub. Held wie Film verlieren sich im positiven Sinn in "Nebensächlichkeiten" - einer so vorsichtigen wie befremdlichen Beziehung zu einer alten Frau. Detailbeobachtungen einer weniger erbarmungslosen als faktischen Natur (kopulierende Pferde, ein nach Luft schnappender Taubenkopf) irritieren zusätzlich, schärfen zugleich den Blick in einem Drama, in dem das nackte Leben grausamer als der Tod erscheint. Gerry hingegen gleicht anfangs noch einem Spiel: Die zwei Burschen streunen durch die Gegend, doch irgendwann haben sie sich dann verlaufen. Van Sant geht es nicht um die Dramatik eines Überlebenskampfs, die Kamera verweigert jede subjektive Anteilnahme; vielmehr betrachtet sie die beiden Darsteller als Körpermaterial, das im Wettstreit mit der Natur sein Aussehen verändert. Kontrapunktisch zu diesen physischen Bildern stehen in Gerry , mehr noch als in Japón, überwältigend schöne (und gerade dadurch rätselhafte) Landschaftstotalen: Wolken, die im Zeitraffer aus My Own Private Idaho gekommen sind, und nun über den Salzwüsten des Death Valley kaum Schatten spenden. Van Sant ist mit diesem Film weniger zu seinem Frühwerk zurückgekehrt, er hat es vielmehr bis auf zwei Personen entrümpelt und dabei die Zeit befreit. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)