Ein klares Plädoyer für einen Nato-Beitritt Österreichs legt Außenministerin Benita Ferrero-Waldner in diesem jüngst erschienenen Sammelband ab, obwohl ein solcher Beitritt im laufenden Wahlkampf von der ÖVP als "nicht aktuell" bezeichnet wird. Im Kreise illustrer Autoren wie Nato-Generalsekretär George Robertson und dem Beauftragten der EU für die Außenpolitik, Javier Solana, erläutert die Außenministerin, dass Österreich nach dem EU-Beitritt "nicht mehr als ,dauernd neutral' bezeichnet werden" kann. "Im internationalen Vergleich entspricht der Status Österreichs dem eines allianzfreien Staates." Ihr Fazit: "Einer Nato, die sich zu einer gesamteuropäischen Sicherheitsorganisation entwickelt, wird Österreich nicht fernbleiben können." Über den im Lichte der innenpolitischen Diskussion erhellenden Beitrag von Ferrero-Waldner hinaus gibt es in dem Sammelband profunde Einblicke in die Debatten über die Europäische Sicherheits-und Verteidigungspolitik in anderen Ländern und Parteien. Sehr interessant ist der - auf Englisch publizierte - Beitrag von Joost Lagendijk, niederländischer Grünen-Abgeordneter im Europaparlament, über die Debatten bei den Grünen. Er mündet in dem Vorschlag, ein ziviles Friedenskorps in Europa aufzubauen. Auch die Sicht der Militärs kommt nicht zu kurz, wofür Mitherausgeber Oberst a. D. Gerd Kaldrack garantiert. Ein gravierendes Manko ist allerdings, dass die russische Perspektive völlig fehlt. Dennoch ist der Sammelband interessant, weil auch auf aktuelle Entwicklungen wie dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus eingegangen wird. Es wird deutlich, welche Herausforderungen nach der EU-Erweiterung nun auf die Europäer zukommen. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe 30.10.2002)