Der russische Schriftsteller Dimitri Yemets hatte einen Traum: Wenn Harry Potter in Buchform und auf der Leinwand derart erfolgreich ist, wie wäre es dann mit einer jungen Musikerin und Vollwaise namens Tanya Grotter, die man ebenfalls in magische Abenteuer, möglichst in Serie, verwickeln könnte? Was, wenn sie ebenfalls Brillenträgerin wäre und statt Harrys Narbe ein kleines Muttermal auf der Nase trüge?

100.000 Kopien soll Yemets vom ersten Band seiner "Erfindung" bereits verkauft haben, bis sich die Anwälte bei ihm meldeten. Harry Potters Erfinderin, Joanne K. Rowling, war nämlich - auch wenn der Autor parodistische Anklänge freimütig zugab, "definitely not amused". Weil: Grotter ist Potter zu ähnlich! Mittlerweile muss sich Rowling außerdem ohnehin mit mehreren Plagiatsvorwürfen herumschlagen. Zuerst war ihr selbst vorgeworfen worden, der US-Kinderbuchautorin Nancy Stouffer die Idee der Magier und der Muggel gestohlen zu haben. Die Anzeige wurde übrigens abgewiesen. Es gab kein eingetragenes Markenzeichen für "Muggel". Aber mittlerweile gibt es längst eins für "Potter", "Hogwarts" etc. Dennoch erblühen in allen Ecken der Welt denkwürdige Ableger des so ertragreichen Potter-Booms: In China etwa erscheinen nicht autorisierte Fortsetzungen in Mandarin, die auf Jahrmärkten und von Buchhändlern gleichsam unter dem Tresen verkauft werden.

Unzählige Kinderbücher in der ganzen Welt schmücken sich, wenn auch nur entfernt eine runde Brille in ihnen vorkommt, mit potteresken jungen Helden. Und wenn es um Zauberer geht, dann sind bemühte Vergleiche mit Rowlings Bestsellern in den Werbefoldern erst recht nicht fern. Selbst wenn ein Mediensuperstar wie US-Mogul Bill Gates sich für einen PR-Gag als Harry Potter verkleidet, profitiert er von einem Kosmos höchst populärer, eingängiger Imaginationen und Identifikationsmuster.

Entsprechend abgesichert sind mittlerweile die Markenrechte. Dem Presseheft zu Harry Potter und die Kammer des Schreckens liegt etwa folgende Info ("Wichtig!") bei: "Diese Unterlagen dürfen nur von Ihnen vervielfältigt werden. (...) Sie dürfen nicht für andere Zwecke verwendet werden, insbesondere nicht im Zusammenhang mit irgendwelchen Preisausschreiben, Rätseln, trivialen Spielen, kommerzieller Werbung (...), ohne dass Sie hierfür vorher eine ausdrückliche schriftliche Genehmigung von Warner Bros. erhalten haben. (...) Wir weisen des Weiteren darauf hin, dass jede Veröffentlichung neuer Figuren, Dialoge, Handlungen, Geschichten und anderer neuer Materialien, die auf Harry-Potter-Büchern basieren, nicht gestattet ist." (DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2002)