+++ PRO von Markus Mittringer Am Anfang war blankes Entsetzen: Ich wusste einfach nicht, wie es dazu kommen konnte. Kaum dass ich eine Nachricht schickte (Es war ein recht delikater Grenzgang in Richtung kurzfristig eingeschobener Zweisamkeit), erreichte mich die Antwort. Per Telefon. Darauf war ich bis zur Sprachlosigkeit nicht vorbereitet. Schon gar nicht auf Fragen das Technische unserer Anbahnung betreffend. "Wie machst Du das mit dem roten Ausrufezeichen?" Ich wusste es nicht, und so endete auch alles andere unbefriedigend. Eine kurze Rücksprache mit Personen meines Vertrauens entfachte schwaches Licht im hormonell bedrohlichen Dunkel. Offiziell fünf Weisheitsgetränke später wusste ich: "So was gibt's!" Notgedrungen überschritt ich die Grenzen meines Freundeskreises in Richtung systemkundiger Administratoren. Die erklärten mir - ich werde ihr Lächeln nie vergessen - die erweiterten E-Mail-Funktionen. Irgendwer musste also meinen Bildschirm am Arbeitsplatz derart belästigt haben, dass er fortan rot ausrief, kaum dass er eine Chance witterte, sich einer mitleidigen Öffentlichkeit anzuvertrauen. Sollte ich selbst zu weit gegangen sein, kann ich meine Unschuld beteuern: Es war eine zufällige Berührung. Ich wollte das nicht. Heute mach ich es in voller Absicht. Obzwar meine Einsicht in das Intimleben meines Gegenübers weit fortgeschritten ist, ich diesen lächerlichen Aufschrei sofort unterbinden könnte, lass' ich es schreien. Nicht dass ich weiter fummeln würde, einfach in der subversiven Absicht, dem Aufmerksamkeitsterror durch Vermassung die Wirkung zu rauben.
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---CONTRA von Karl Fluch Der Begriff "wichtig" speist sich meist aus einer rein subjektiven Einschätzung. In meiner kleinen Existenz waren und sind deshalb Dinge von Bedeutung, wegen derer andere vielleicht mit dem Finger auf mich zeigen und "Ha, ha!" rufen würden. Nudeln zum Beispiel, weil neben dem Frühstückskaffee mein Grundnahrungsmittel. Oder genug Kohle, um bis nach Mitternacht an einer Bar stehen zu können und Dinge wie "Bier zu mir, bis ich halt sage!" ausrufen zu können, ohne dann beim Begleichen deshalb zum Tellerwäscher zu werden. Oder Liebesglück. Eh klar. Und Platten, um meine Basisversorgung in Sachen Weltschmerz oder Lebenseuphorie zu gewährleisten. Bücher sowieso. Schon länger staune ich über als "wichtig" eingeschätzte "Informationen", die mich, auch so ausgewiesen, via E-Mail erreichen: "Einladung zum Adventsingen im Gasthof Zechner in Oberaich". Oder: "Sie Trottel! Sie sind genau das, wie sie heißen!" Diese neue "Wichtigkeit" führt dann auch zu exzentrischen Kombinationen aus "Penis enlargement! Three inches more in only six weeks!" - woher wissen die überhaupt . . .? - und "Want bigger breasts?" Na ja, Hauptsache "wichtig". Das Phänomen der "hohen Wichtigkeit" erinnert mich deshalb an jene naturtrüben Streber, die in der Schule immer extra eifrig aufgezeigt haben, um dann dodelsicher die falsche Antwort zu geben. Das habe ich auch ohne "Wichtigkeit" geschafft. DER STANDARD/rondo/29/11/2002)